Andacht: Das sanfte Joch

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Matthäus 11,28

Ich sehe sie vor mir, die Mühseligen und Beladenen. Jeden Freitag stehen sie vor dem Haus „eckstein“, um sich ihr Obdachlosenfrühstück „to-go“ abzuholen. Ich denke an die Frau, die seit Jahren ihren Mann pflegt und mit feuchten Augen sagt: „Unseren Ruhestand hatten wir uns anders vorgestellt.“ Den jungen Vater, dessen Frau an Krebs erkrankt ist, der sich liebevoll um sie kümmert und versucht, den beiden kleinen Kindern Mama und Papa zugleich zu sein…

Manchmal schäme ich mich, dass es mir so unverdient gut geht. Dann wieder spüre ich die Last des Alltags auf meinen Schultern. Und manchmal trifft mich etwas ganz unvermittelt und ich bin völlig überfordert. Jeder hat sein Päckchen zu tragen – nicht immer, aber immer wieder.

Jesu Ruf bringt eine tiefe Sehnsucht zum Klingen „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid…“ Er sieht uns, er sieht die Lasten, mit denen wir uns abrackern, und er will, dass wir trotz allem aufatmen und Kraft schöpfen können. Es gibt sie, diese kleinen Fluchten im Alltag. Einmal ganz Zeit für mich: Momente zum Durchschnaufen, auf einen Kaffee, einen Gedanken. Das tut gut aber allzu rasch sind sie wieder verflogen und das Leben geht weiter wie bisher.

Jesus geht es um mehr als um ein freundschaftliches „Mach mal Pause!“ Er weiß: Die Lasten des Lebens tragen – das gehört zum Menschsein dazu. Und das heißt manches Mal auch leiden, die Schnauze voll haben, heißt schwach sein, bisweilen sogar: völlig am Ende sein. Jesus verspricht ja mit keinem Wort, uns die Last des Lebens einfach abzunehmen. Er will uns helfen, sie zu tragen und zu ertragen.

„Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir…“ Jesu Zuhörer kannten das Joch aus ihrer täglichen Arbeit. Kein Mensch könnte schwere Wassereimer tragen, ohne eine Jochstange über die Schultern zu legen; kein Ochse einen Karren ziehen, wenn er nicht in ein Joch eingespannt wäre. Das Joch ist keine große Last, sondern ein Hilfsmittel, das es ermöglicht, auch mit großen Lasten fertig zu werden. 

Jesus bietet uns ein solches Hilfsmittel an, wenn er uns einlädt, von ihm Sanftmut und Demut zu lernen, um die Lasten des Lebens besser tragen zu können. Für mich bedeutet das, nicht beständig gegen das eigene Schicksal anzukämpfen. Ja, die Last des Lebens ist ungerecht verteilt. Warum trifft es mich? Mit solch bohrenden Fragen lehnen wir uns gegen unser Schicksal auf, arbeiten uns ab und verschwenden letztlich unsere Lebensenergie. 

Man kann aber auch versuchen, die Last des Lebens in Sanftmut anzunehmen. Nicht lange zu lamentieren, sondern das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Lernen, dass nicht alles perfekt sein muss, und gütig zu sich selbst und anderen zu sein. Demut heißt nicht buckeln, sondern ist die befreiende Erfahrung, keinem etwas beweisen zu müssen. Und die Einsicht, dass
man nicht jede Last alleine tragen muss, sondern sich von anderen helfen lassen darf, wenn man alleine mit der Last nicht mehr zu Recht kommt.

„Sanftmütig und von Herzen demütig“ – das ist das Joch, mit dem Jesus uns vor den Karren unseres Lebens spannen möchte. Keine weitere Last also, sondern ein Lebensstil. Sanftmut und Demut helfen uns, mit der Last des Lebens so umzugehen, dass sie uns nicht zu Boden drückt und kaputt macht.

Kirchenrat Ekkehard Wohlleben

rotabene
An dieser Stelle schreiben verschiedene Autoren für das Evangelische Sonntagsblatt.