Neues Leben empfinden

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Inge Wollschläger im Editorial für das Evangelische Sonntagsblatt aus Bayern

Österliches Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger

Morgens gehe ich mit dem Hund durch den Stadtpark zur Arbeit. Momentan habe ich das Gefühl, ich könnte unter den Bäumen stehen bleiben und würde den Blättern und all dem Grün, was dort sprießt und werden will, zuschauen können. Je älter ich werde, desto mehr erstaunt es mich.  Und immer wieder kommen weitere Fragen dazu. 

Wie kann das sein, dass dort, wo „nichts“ war, so viele Leben ist? Woher weiß die Natur, wann sie starten darf? Schmerzt es Zweige oder Blumen, wenn sie sich für die zarten Blättchen und Knospen öffnen? Oder ist es eher ein Gefühl wie ein befreiendes Niesen, wenn weitere Triebe sprießen?

Möglich, dass es eine Frage des Alters, der Reflektion oder der persönlichen Sinnfindung ist, dass mir viel mehr Details auffallen, als noch vor einigen Jahren. 

„Die Veränderung ist das Einzige, auf das Verlass ist“, habe ich mal an einer Hauswand gelesen. Gerade ist der Wandel in der Natur in vollem Gange und hat etwas ungeheuer tröstliches für mich. 

Denn nicht jede Veränderungen in meinem Leben empfange ich  – und vielleicht ja auch Sie, liebe Leserinnen und Leser – mit offenen Herzen und staunenden Augen. Viele der Veränderungen würde ich lieber vermeiden. Schaut man später einmal zurück, sieht eine Situation schon wieder ganz anderes aus. Hinterher aber ist man meistens ja sowieso schlauer. 

Wir feiern Ostern. Es ist das Fest des Wandel, der Überraschung und des überwältigenden Staunens. Wer hätte von den Anhängern und Jüngern Jesus je gedacht, dass es eine Auferstehung geben würde? Tod und Sterben kannte man. Dann war etwas beendet. Ein Grab wurde verschlossen und bleib verschlossen. 

Doch dann geschah das bisher Unmögliche: In den Tod drängte sich das Leben zurück. Die Frauen am Grab erkannten Jesus. Das Leben triumphierte über den Tod hinaus.  

Im kleinen feiere ich jeden Tag inmitten der erblühenden Natur im Park eine Art Ostern. Veränderungen sind eben nicht nur beängstigend. Sie verkünden immer auch eine neue Hoffnung. Es gibt kein Ende. Wenn es auch im Winter aussieht, als würde alles tot sein, so ist da dennoch Leben. Nicht sichtbar zunächst. Aber das Leben, die Hoffnung, der Trost und die Zuversicht kehrt immer wieder  zurück. Daran können wir glauben.