Ohne Luft keine Kraft

189
Teilnehmende am Treff der Rangau-Klinik. Rechts: Marion Webert. Foto: Borée
Teilnehmende am Treff der Rangau-Klinik. Rechts: Marion Webert. Foto: Borée

Menschen mit Lungenschwäche oder gar mit Atemgeräten geben sich gegenseitig Halt

Zwei Jahre dauerte es, bis Marion Laurenz ihre Diagnose erhielt: 2009 erlitt sie einen massiven allergischen Schub, so dass ihr die Luft wegblieb. Dies ganz buchstäblich: Ihre Atemnot wurde zunächst einer Grippe zugeschrieben. Erst im August 2011 erhielt sie ein Atemgerät mit Flüssig-Sauerstoff. Endlich stand die Diagnose. Fünf Jahre lang musste sie das Gerät ständig benutzen, inzwischen zum Glück nur noch nachts „oder wenn ich einen Schub bekomme“. Sie weiß nun meist auch, was ihre Allergie verursacht: Topfpflanzen etwa. Sie sind bei ihr tabu.

Inzwischen leitet sie die monatliche Kaffeetafel in der Rangauklinik der Diakoneo bei Ansbach: Dort können sich Betroffene austauschen. Längerfristig von Atemgeräten abhängig zu sein, das bedeutet eine besondere Herausforderung: technisch genauso wie psychisch. Denn natürlich sticht die „Nasenbrille“ allen ins Auge, denen sie im Alltag begegnen. Dazu kommt immer die Angst, ohne die nötige Luft zum Atmen dastehen zu müssen. Was ist, wenn sie länger als geplant unterwegs sind – der Zug Verspätung hat oder sie im Stau stecken? 

Marion Webert hat das umgekehrte Problem: „Niemand sieht es einem an“, dass sie körperlich nicht mithalten kann. Sie selbst muss kein Atemgerät tragen, da ihr Sauerstoffgehalt im Blut noch ausreichend ist. Doch ist ihre Leistungsfähigkeit dadurch eingeschränkt. Es fällt ihr schwer, um Rücksicht zu bitten. „Da ist man schnell Außenseiter.“ 

Wie kommt es zu diesem Leiden?

Ganz unterschiedliche Gründe bringen Menschen an die Sauerstoffflasche. Eine akute Lungenerkrankung die einen. Andere erzählen, dass es bei ihnen schleichend verlief: Ihnen fehlte immer mehr die Leistungsfähigkeit. Lange zweifelten sie an sich: Waren es psychische Erkrankungen? Ohne Luft keine Kraft. 

Allerdings kamen durch die Covid-Erkrankung mehr Betroffene hinzu, die zumindest zeitweise danach beatmet werden mussten. Insgesamt fördert Rauchen auch diese Krankheit – doch können Lungen auch ohne diese Last streiken.

Ein Betroffener erzählt, dass er bereits als Vierjähriger eine Lungenentzündung hatte. Seitdem hat er immer wieder mit seiner Lunge zu kämpfen. Er verschleppte es auch, um nicht zu lange bei der Arbeit zu fehlen – bis es nicht mehr ging. 

Eine Teilnehmerin der Runde bekam ein künstliches Knie. Die Narkose brachte Nebenwirkungen: Sie wachte mit dem Atemgerät auf. 

Es gibt zwei Arten der mobilen Sauerstoffversorgung: Die Flasche mit flüssigem Sauerstoff, die dann an einem größeren Tank zuhause aufzufüllen ist. Je nach der Einsatzart und der Menge, die die Betroffenen benötigen, kann sie zwei bis 14 Stunden ausreichen. Dies erklärt Gudrun Surer von der Firma „Vivisol“, die sich auf Versorgung von Patienten mit Atemgeräten spezialisiert hat. Sie kam auch zu dem Treffen in der Klinik. Solche Geräte wögen meist mehrere Kilo, bei größerem Bedarf auch bis zu acht Kilo.

Daneben gibt es elektronische Geräte, die den vorhandenen Sauerstoff der Luft stärker konzentriert aufbereiten. Auch sie wiegen in der Regel rund drei Kilo. Da ein Kompressor unumgänglich ist, machen sie Geräusche – was im Konzert oder auch im Gottesdienst stören kann. Sie seien für die Krankenkassen billiger, da die Logistik für den Sauerstoff-Nachschub wegfalle, so Gudrun Surer. Doch seien sie eher für die fitteren Betroffenen geeignet. 

Ideal ist es, wenn die Patienten die verschiedenen Möglichkeiten noch im Krankenhaus wie in der Rangauklinik austesten könnten. Doch der Druck zu einer schnellen Entlassung steige. Der Bedarf kann sich auch ändern. Regelmäßige Termine bei Pneumologen, Lungen-Fachärzten, sind nötig. Doch diese fehlen immer mehr. Marion Laurenz muss jährlich über einige Tage hinweg stationär durchgescheckt werden. 

Daneben berichtet Gudrun Surer, dass Fachfirmen immer weniger Ersatzteile etwa bei Konzentratoren liefern. Bei geringer Stückzahl der Fachartikel würden sich oft Zertifizierungen kaum noch lohnen.

Neben ihrer Flüssiggas-Flasche hat Laurenz sich auf eigene Kosten ein elektronisches Gerät angeschafft, da sie damit mobiler sei. Solche Geräte fressen viel Strom, der Akku muss rechtzeitig in die Steckdose. Wenn es verschrieben worden ist, lassen sich für den Stromverbrauch, der gerne mal bei bis zu 2.000 Euro im Jahr zusätzlich liegen kann, Zuschüsse bei den Krankenkassen beantragen. Gerade für Betroffene, die von einer kleinen Rente oder Sozialleistungen leben, ist es schwierig, dies selbst zu bezahlen.

Diese und weitere Tipps können die Betroffenen bei dem monatlichen Stammtisch mit Kaffee und Kuchen in der Rangauklinik austauschen. Jeweils am dritten Mittwoch im Monat um 14.30 Uhr im kleinen Speisesaal – also wieder am 20. März. Am 22. Mai ist eine kleine Wanderung geplant, die auf ihre Kräfte zugeschnitten ist. Doch können eher die mobileren unter den Betroffenen kommen – für Bettlägerige ist die Anreise schwer möglich.

Nach der Corona-Pause, die für die Betroffenen länger ausfiel, treffen sie sich wieder seit Anfang des Jahres. Daneben gibt es in der Region Ansbach die Selbsthilfegruppe „Lungenstammtisch“ am zweiten Montag im Monat um 18 Uhr in der Pizzeria Il Gabbiano in Marktbergel: also wieder am 8. April. Marion Webert organisiert ihn mit. Auch anderswo gibt es solche Gruppen.

Manchmal geht es Betroffenen wie Marion Laurenz besser, sodass sie für Stunden oder tagsüber ohne Gerät leben können. Manchmal lassen sich auch ungenutzte Areale in der Lunge anstelle der geschädigten Bereiche aktivieren. Eine spezielle „Lungengymnastik“ hilft. 

Vieles kostet den Patienten mehr Kraft. Dabei war der Colmberger Bürgermeister Wilhelm Kieslinger beim Treffen in der Rangau-Klinik mit dabei – als Betroffener.

Auch Reisen mit den Geräten werden logistisch deutlich schwieriger, da unterwegs und am Ankunftsort eine ausreichende Versorgung sichergestellt werden muss. 

Gefahr der Einsamkeit 

Während der Corona-Zeit hielten viele Betroffene die Isolation und die Hygienevorschriften meist äußerst streng ein. Auch Marion Laurenz trägt immer noch Maske, wenn sie mit Bus oder Bahn unterwegs ist. Einmal hatte sie Corona, was bei ihr eine Bronchitis nach sich zog: „Es hat mich viel Mobilität gekostet.“ 

Marion Webert bereitete das Maskentragen in der Corona-Zeit Schwierigkeiten. „Maximal eine Stunde am Tag“ war es für sie möglich – da galt es gut zu überlegen, wofür sie diese Zeit nutzte. 

Die Treffen helfen Betroffenen dabei, die Gefahr der Einsamkeit zu verringern. Dafür engagieren sich Marion Webert und Marion Laurenz beim Lungenstammtisch, und in der Rangauklinik.

Lungenstammtisch Tel. 09843/1415, E-Mail: lungenstammtisch@web.de, https://www.lungenstammtisch.de. Zum Atemzentrum der Rangauklinik unter Tel. 0981/4874113 oder E-Mail: ansbach@zentrum-az.de.