Klima, Missbrauch, Neuordnung: Landessynode stellt sich riesigen Herausforderungen
Coburg. Vor sieben Jahren saßen sie bereits an diesem Ort. Darauf wies Annekathrin Preidel, die Präsidentin der bayerischen evangelischen Landessynode hin. Damals, zum 500. Reformationsjubiläum, hätte die Tagung die „Coburger Beschlüsse“ gefasst, mit denen sie den Prozess „Profil und Konzentration“ (PuK) auf den Weg brachte.
Doch das Kirchenparlament beschäftigt sich in der Reformationsstadt, in der auch Martin Luther Zuflucht fand, nicht nur mit der Vergangenheit, sondern vor allem mit der Zukunft der Kirche. Heute mehr denn je. Dies geschah bereits in der Eröffnungspredigt der Gastgeberin, der Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner. Sie mahnte mit Blick auf die Fälle sexualisierter Gewalt in den Reihen der Kirche eine „weitergehende Erneuerung“ an.
Manche sähen vor ihrem inneren Auge etwa Schreckensszenarien wie „den völligen Bedeutungsverlust der Kirche“ durch weitere Austritte, „den Untergang des westlichen Abendlandes“ durch den Verlust christlich geprägter Kultur, oder „die Zerstörung der Demokratie durch rechtsextreme Aushöhlung von innen und den Klimakollaps“, so Greiner weiter. Christen aber sollten trotzdem „nie müde werden“.
Schier apokalyptische Themen beschäftigten auch aktuell die Frühjahrstagung der Landessynode: Die Verabschiedung eines Klimaschutzgesetzes und der weitere Umgang mit sexualisierter Gewalt im kirchlichen Rahmen standen im Zentrum der Beratungen. Auch diese Themen beschäftigte das Kirchenparlament seit mehreren Jahren – so hatte sich die Landessynode ebenfalls 2017 schon für ein Integriertes Klimaschutzkonzept ausgesprochen, das endlich verpflichtend werden soll.
Zunächst gedachte Annekathrin Preidel an ihren Vize Walter Schnell, der direkt bei der sonntäglichen Eröffnung gestürzt sei und sich ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen habe, so dass er diese Synode nicht weiter mitgestalten konnte. Bis zum Redaktionsschluss war sein Gesundheitszustand wohl stabilisiert.
Zu weiterer Wachsamkeit gegenüber sexualisierter Gewalt rief Annekathrin Preidel auf, damit die Strukturen in der Kirche entsprechend verändert würden. In ihrer Eröffnungsansprache kündigte sie an: Die Synode werde das bisherige Präventionsgesetz im Licht der aktuellen Ergebnisse überarbeiten. Dies ist noch nicht wirklich sieben Jahre alt, sondern entstand 2020.
Außerdem sei es Aufgabe der Landessynode, die benötigten Mittel für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und die Präventionsarbeit zur Verfügung zu stellen, so Preidel weiter. Für dieses Haushaltsjahr 2024 seien mehr als 1,1 Millionen Euro für die Fachstelle „Prävention gegen sexualisierte Gewalt“ in den Haushalt eingestellt worden. Die Fachstelle ist bislang noch als befristetes Projekt bis Ende 2025 angelegt, auch über ihre weitere Ausstattung müsse die Synode beraten.
Neuausrichtung der Kirche
Gleichzeitig steht die bayerische Kirche laut Landesbischof Christian Kopp vor großen Einsparungen und Struktur-Anpassungen. „Wir werden eine schlankere Kirche sein.“ Statt sechs Kirchenkreise soll es bald nur noch vier geben. Nach bisherigen Planungen sollen laut Kopp die bisherigen Kirchenkreise München und Augsburg zusammengelegt werden. „Wir werden gemeinsam um die Strategie ringen. Denn wir werden es nur gemeinsam schaffen. Aber Ringen macht schlank. Ringen macht fit, auch unsere Kirche“, blieb Kopp im Bild.
Zugleich plädierte der Landesbischof für eine gründliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Der Gesellschaft insgesamt würde das gut tun. Für die Landeskirche wolle er das gleich in diesem Jahr anstoßen. Er denke an einen runden Tisch. Kirche und Diakonie hätten in der Pandemie viel Gutes bewirkt. Doch müsse man anschauen, „wo wir übervorsichtig, überreguliert, überbürokratisiert vorgegangen sind“. Er denke dabei an Regelungen zu Gottesdiensten, die Situation der Pflegeheime und Krankenhäuser sowie die Werkstätten für Menschen mit Behinderung: „Wo waren wir näher an politischen Vorgaben als an den Menschen interessiert?“
Außerdem warb Kopp für die Europawahlen am 9. Juni und warnte vor zunehmenden Nationalismus. Gerade für den Klimawandel, den Ukraine-Krieg und die Migration brauche es europäische Lösungen. Parteien mit nationalistischen und rechtsextremistischen Positionen könnten von Christen nicht gewählt werden, sagte Kopp. Mitglieder solcher Parteien könnten auch nicht in den Kirchenvorständen mitarbeiten, bestätigte er indirekt etwa die Nürnberger Haltung (siehe letzte Seite).
Dann aber nahm auch in seiner Rede das Thema der sexualisierten Gewalt großen Raum ein: Anstelle institutionalisierten Wegsehens brauche es eine Kultur des Hinsehens und Hinhörens, mahnte der Theologe mit Blick auf die Ende Januar veröffentlichte ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt im Raum der evangelischen Kirche und Diakonie. „Ihr Leid, ihre Geschichten, ihre Perspektiven sind wichtig für unser kirchliches Handeln.“
Diese Gewalt sei oftmals immer noch ein Tabuthema. „Wie gehen wir mit den vermeintlichen Störern um, die unsere oberflächliche Harmonie gefährden?“, fragte Kopp. Er wünsche sich unbedingt, eine zentrale unabhängige Ansprechstelle für Betroffene.
Gerade alte Abhängigkeitsverhältnisse hätten vergiftete Formen der Hierarchie begünstigt. Die evangelische Kirche sei stolz auf angeblich flache Strukturen, doch auch sie hätten Abhängigkeiten und eine Kultur des Wegsehens begünstigt. Diese Arbeit der Aufarbeitung müsse konsequent weitergeführt werden, sie brauche einen langen Atem. Eine unabhängige regionalen Aufarbeitungskommission Bayern für Kirche und Diakonie sei in Arbeit.
Im Rahmen des Bischofsberichts kamen auch die Betroffenenvertreter des Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt (BeFo) der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Detlev Zander und Karin Krapp, zu Wort. Sie wünschten sich deutschlandweit gleiche Standards bei der Aufarbeitung. Karin Krapp habe das Gefühl gehabt, dass geredet worden sei, bevor überhaupt die Ergebnisse der Studie wahrgenommen wurden. Typischen Abwehrreaktionen seien auch nach Studien-Veröffentlichung sichtbar geworden.
„Nicht immer sagen: ‚Wir werden. Wir sollten. Wir müssen –, sondern einfach machen“, so Zander. Er nannte den Skandal einen „Genickschuss für die Institution“. Sportlich gesehen sei die Aufarbeitung ein Marathon, kein Sprint. Aber das kann nachhaltig fit machen. Nein, sie seien keine Störenfriede, so Zander. Im Gegenteil, so schloss er: „Wir haben euch so viel gegeben. Jetzt macht etwas daraus“ – und nicht in sieben Jahren.