Sesshaftes Leben als Schritt in die Zukunft?

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Der Schafsschädel beweist, dass die Bandkeramiker Viehzucht betrieben. Diese durchbohrten Zähne trugen Bandkeramiker bei Schweinfurt wohl als Schmuck. Keramikfigur aus dem Landkreis Schweinfurt. Fotos: Borée /Museum Franken (rechts)
Der Schafsschädel beweist, dass die Bandkeramiker Viehzucht betrieben. Diese durchbohrten Zähne trugen Bandkeramiker bei Schweinfurt wohl als Schmuck. Keramikfigur aus dem Landkreis Schweinfurt. Fotos: Borée /Museum Franken (rechts)

Schau auf der Festung Marienberg zeigt Übergang vom Sammeln zum Siedeln und Säen

Sie fühlten sich in Franken wohl. Und das schon vor rund 7.500 Jahren: Die Linearbandkeramiker siedelten damals schon am Main rund um Würzburg. Die fruchtbaren Lössböden und das milde Klima sagten ihnen besonders zu. Sie waren die allerersten Menschen mit festem Wohnsitz in unserer Region. Schon damals betrieben sie Ackerbau und Viehzucht. Daneben konnten sie Stoffe auf ersten Webstühlen fertigen und besaßen erste Töpferwaren mit den linearen Ritzverzierungen und Bändermustern, nach denen sie benannt sind. Sie besaßen praktisch schon das volle Programm späterer landwirtschaftlicher Kulturen. Nur Metallwerkzeuge fehlten – schließlich bewegen wir uns noch in der Jungsteinzeit. 

Das Museum für Franken auf der Würzburger Festung Marienberg zeigt in einer Sonderausstellung ihre Spuren vor Ort unter dem Motto „Ein Schritt in die Zukunft – wir werden sesshaft“. Die Migranten waren aus dem Karpatenbecken im heutigen Ungarn zunächst ins Maindreieck und an den Obermain gezogen. 

Bauern im Aufwind

Innerhalb der nächsten paar Generationen nahm ihre Siedlungsdichte rasant zu. Das geschah zunächst wohl durch weiteren Zuzug, dann aber auch einen massiven Anstieg an Geburtenzahlen. So beschreibt es Archäologe Benjamin Spies gegenüber dem Sonntagsblatt. Er ist seit 2018 beim Museum und hat auch diese Schau konzipiert.

Bald waren Tausende der neuen Bewohner am Main ansässig. Ihre Siedlungsräume dehnten sie in die fränkische Alb, den Spessart oder den Steigerwald hinein aus. Und das, obwohl ihre durchschnittliche Lebenserwartung bei 28 Jahren lag. Als Ackerbauern litten sie wohl zunächst unter Mangelerscheinungen durch eine einseitige Ernährung vor allem durch Einkorn und Emmer, Erbsen und Linsen. Vitamin-D-Mangel in den nördlichen Gefilden könnte auch ein Problem gewesen sein, zumal die Migranten zunächst wohl dunklere Hauttypen hatten, die das Vitamin gerade in den langen Wintern schlechter aufnimmt.

Die Migranten brachten dabei ihre Feldfrüchte und Haustiere mit. Ferner errichteten sie feststehende Häuser, rodeten Wälder und legten Äcker an. So veränderten sie erstmals in der Geschichte auch massiv die Natur. Daneben besaßen sie aber durch ihre Viehzucht tierische Milch gerade für die Nachkommen. Damit brachten sie mehr Kinder durch, so Spies. Und es konnten überhaupt mehr Nachkommen geboren werden, da sich die Stillzeit reduzierte. Auch immer mehr ältere Menschen konnten Milchprodukte zu sich nehmen und Laktose verarbeiten. Kleine Kinder mussten nicht mehr getragen werden, wie bei den mobilen Jägern und Sammlern – und das ganz ohne Kinderwagen. 

 Jäger und Sammler gab es damals schon seit Zehntausenden Jahren in der Region – allerdings wenige und weit verstreut. Benjamin Spies spricht von rund 30 bis 40 Nomaden im heutigen Franken. Kam es zu einer Vermischung oder Verdrängung? Litten die bisherigen Jäger und Sammler unter eingeschleppten Krankheiten oder Gewalttaten der Einwanderer? Das lässt sich natürlich nicht mehr nachvollziehen.

Gleichzeitig gibt es Hinweise auf erste Überfälle und Gewalttaten der Neuankömmlinge. In der Jungfernhöhle in Tiefenellern bei Bamberg deuten Schnittspuren an den menschlichen Knochen auf Kannibalismus hin – ebenso wie bei dem bekannteren Beispiel in Herxheim bei Landau in der Pfalz. „Allerdings ist damit nur bewiesen, dass das Fleisch vom Knochen gelöst wurde“, so Archäologe Spies vorsichtig. Das Fleisch wurde offenbar erst nach dem Tode abgelöst. Doch auch andere Kulturen taten dies, ohne dass gleich Gewalttaten erfolgen. 

Ein eindrückliches Zeugnis dieser Kultur ist auch eine Ansammlung von insgesamt 29 menschlichen durchbohrten Zähnen, die bereits 1976 bei Zeuzleben bei Schweinfurt gefunden wurden und die die Bandkeramiker wohl als Kette oder als Besatz an der Kleidung trugen. Die Zähne stammen von vier Personen, von denen drei nicht älter als zehn Jahre gewesen sein können. Dennoch handelt es sich nicht um Milchzähne. Es gibt auch keine Hinweise auf natürlichen Ausfall. „Ob die Zähne vor oder nach dem Tod entnommen wurden, ist nicht mehr feststellbar“, so die Ausstellung. 

Kurator Benjamin Spies wünscht sich, eine DNA-Analyse der Zähne in Auftrag zu geben. Allerdings ist dies momentan nur bei Materialverlust durchführbar, zumal die Zähne seit 1976 durchaus mit moderner DNA in Berührung gekommen sein können – etwa, indem sie mit bloßen Händen berührt wurden. Er hofft aber auf den rasanten technischen Fortschritt, so dass eine verlustfreie Untersuchung „in den nächsten fünf Jahren“ wahrscheinlich sei. Spannend findet er es, mögliche verwandtschaftliche Beziehungen bei den Zahn-Besitzern herauszufinden. So lasse sich eher schließen, ob es sich bei dem Schmuck um „ein Andenken an geliebte Menschen oder Trophäen“ handeln könnte. 

Daneben weisen unterschiedliche Größen der Langhäuser und mehr oder weniger Grabbeigaben schon bald auf eine soziale Ausdifferenzierung der frühen Bauern hin. Mit Muscheln und Perlmutt aus dem Mittelmeerraum schmückten sich wohl reichere Menschen. Die Steinwerkzeuge und Keramikgefäße wurden immer ausdifferenzierter. Das lässt sich in der Ausstellung gerade für Kinder durch interaktive Elemente und Rekonstruktionen gut nachvollziehen. Dennoch sind die Linearbandkeramiker offenbar genetisch nicht unsere Vorfahren – viele Fragen und Geheimnisse bleiben weiter offen.

Die Ausstellung ist bis 7. April dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr in der Festung Marienberg zu sehen. Am Freitag, 19. Januar, gibt es bei der „Nacht der Bandkeramik“ von 18 bis 22 Uhr Vorträge und mehr. Bitte dazu um Anmeldung unter Telefon 0931/2086420 oder E-Mail bs@museum-franken.de. Mehr Infos: https://www.museum-franken.de