Kinder an die Macht

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zur Segnung der Kinder

Und sie brachten Kinder zu ihm, dass er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich ich sage Euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.

Markus 10, 13–16

Ich erinnere mich noch gut: Mein erstes „Maibaum-Fest“ in meiner ersten damaligen Pfarrei. Ein Junge – etwa fünf Jahre alt – kommt auf mich zu und erzählt von seinen Berufsplänen: „Du, Pfarrer! Ich will mal Bauer werden!“ Offensichtlich ist er diesbezüglich auch nicht ganz inkompetent, denn er glänzt mit einem erstaunlichen Fachwissen. Der Junge kennt sämtliche landwirtschaftlichen Gerätschaften und erklärt mir das Kühe melken.

Als ich wieder zu Wort komme, will ich ihn etwas auf den Arm nehmen und frage ihn: „Ja, und wie melkt man eigentlich die Hühner?“ Seine genauso spontane wie deutliche Antwort:„Oh Mann, die Hühner kann man nicht melken; die Hühner legen Eier! Aber sag mal, weißt Du das nicht? Also ein bisschen ´was sollte man als Pfarrer aber schon wissen!“

Und so musste ich gleich zu Beginn meiner Dienstzeit (und unter dem Gelächter der Anwesenden) das lernen, was Jesus bereits in Markus 10, 13–16 ausdrückte: Man sollte Kinder niemals unterschätzen.

„Kinder an die Macht!“ – so hat einst Herbert Grönemeyer 1986 gesungen. „Die Welt gehört in Kinderhände, dem Trübsinn ein Ende!“ Nicht nur die Welt wäre – auch der Glaube ist bei Kindern in guten Händen; sie können darin sogar als Vorbild dienen, so Jesus.

Übrigens auch Pfarrern gegenüber: Ich erinnere mich dabei noch an den Sohn eines lieben Kollegen. In seinen Kindheitstagen hat er seinem Papa einmal mit kindlichen Worten die Auferstehung und das ewige Leben erklärt und zwar sehr unkompliziert: „Wenn ein Baby auf der Welt ist, kommt die Nachgeburt weg, weil man sie ab jetzt nicht mehr braucht. Und wenn ein Mensch zu Gott geht, also stirbt, kommt der Körper weg und wird beerdigt, weil man den ab jetzt nicht mehr braucht.“ Kinder an die Macht – nicht nur die Welt, auch der Glaube gehört in Kinderhände.

Zumindest steht Kindern die Tür zum Reich Gottes besonders weit offen. Was zeichnet Kinder aus? Sie leben uns vor, was wir zunehmend verlernen: Ohne Vertrauen geht es nicht! Obwohl Kinder manches nicht verstehen; es hält sie nicht davon ab, dennoch zu vertrauen; zu fragen; offen zu sein für Glaube, Liebe und Hoffnung. Da könnte man fast neidisch werden.

Aber: Niemand muss dieser Kindheit nachtrauern! Schon Paulus bemerkt in Römer 8, 15: Denn Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass Ihr Euch abermals fürchten müsstet; sondern Ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: ,Abba, lieber Vater‘!“ Tröstlich zu wissen: Im Bezug auf Gott ist unsere Kindheit nie zu Ende und unverlierbar! Spätestens das Vaterunser sollte uns immer daran erinnern.

Und wenn ich wieder mal vor der Frage stehe: Was will ich in meinem Leben eigentlich noch erreichen, oder werden? Dann darf ich wissen: Ich bin schon was! Gottes geliebtes Kind. Dazu stehen; diese Zusage leben muss ich allerdings selber.

Klaus Lindner, Pfarrer in Dombühl und Kloster Sulz 

Lied 602,3: Vergiss nicht zu danken