Crashkurs in Nächstenliebe

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott. Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe. Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden. Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.

1. Johannes 4, 7–12

Können wir noch mehr Stühle holen?“, so höre ich von der einen Seite des Gemeindesaales. „Hier habe ich eine Kiste mit Legosteinen mitgebracht, für die Kinder!“, sagt ein Mitdreißiger und stellt mir einen Umzugskarton vor die Füße. „Wann können wir denn mit der Rechtsberatung kommen, wir haben uns gemailt, ich bin von der Amnesty-Gruppe?“, spricht mich eine junge Frau an. 

Im September 2015 gibt es in unserem Stadtteil eine Notunterkunft für Flüchtlinge, die bis auf den letzten Platz belegt wird. Doch zugleich bieten sich zahllose Menschen mit ganz unterschiedlichen Ideen tatkräftig zur Hilfe an. Wir bilden Schwerpunktgruppen von Sprachkursen über die Kleiderkammer bis zum Fußballspielen. Mein Pfarrersjob besteht darin, ein wenig Struktur aufzubauen und zu koordinieren. Mittendrin im Gewusel entwickelt sich dieser Herbst zu einem Crash-Kurs in Liebe, genau genommen, in Nächstenliebe. 

Da gibt es die, die entbrannt für die gute Sache all ihre Energie geben, wie es sonst nur frisch Verliebte können. Andere treten von Beginn als Marathonläufer an und halten ihren wöchentlichen Deutschkurs jahrelang durch. Menschen fragen nach und hören zu, was der fremde Nächste jetzt braucht. Wir lernen, Internet gehört für alle dazu und die Verbindung mit den eigenen Lieben. Und noch etwas wünschen sich alle, das Gefühl, willkommen zu sein und jemanden zu haben, die oder den man um Hilfe fragen darf. Lieben, das bedeutet, für einen anderen Menschen nur das Allerbeste zu wollen und zu tun. Heute bringe ich diese Erinnerungen an den Herbst vor 8 Jahren mit der christlichen Botschaft zusammen: „Gott ist Liebe.“

In gelebter Nächstenliebe ist Gott mit seiner Liebe gegenwärtig, so dürfen wir glauben. Das macht Mut für die Zuwendung zum nächsten Mitmenschen auch heute. Ich denke an die Solidarität mit den Menschen der Ukraine. Ich denke aber auch an den Einsatz für Klimaschutz. Ich denke an das respektvolle Hören auf Menschen mit queerer Identität. „Gott ist Liebe“ schenkt eine klare Orientierung.

Dekan Max von Egidy, Uffenheim

Gebet: Du bist Liebe, Gott. Hilf, dass wir Spuren deiner Liebe in unserer Welt und in unserem Leben entdecken können. Amen.

Lied 79: „Ich glaube fest, dass alles anders wird“  

„Ich glaube fest, dass Gott die Liebe ist, / und dass er an der Liebe alles misst. / Ich glaube fest, das Ziel ist nicht mehr weit, / ich hoffe auf die Zeit voll Frieden und Gerechtigkeit.“