Hoffnung auf Heilkräfte des Dialogs

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Roland Hacker und Johannes Rehm mit der Neuerscheinung „Lebenskunst Handwerk“ kurz vor dem Ruhestand Rehms. Foto: Borée
Roland Hacker und Johannes Rehm mit der Neuerscheinung „Lebenskunst Handwerk“ kurz vor dem Ruhestand Rehms. Foto: Borée

Johannes Rehm vollendet letztes Werk und geht als kda-Leiter in den Ruhestand

„Ob sich das noch schaffen lässt?“, so zweifelte Dr. Johannes Rehm. Bis direkt vor seinem 66. Geburtstag und damit bis zu seinem Ruhestand Ende Juni leitete er den kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (kda). Denn dies Jahr 2023 hatte schon begonnen, als Diakon Roland Hacker, Referent für die Fachstelle Kirche und Handwerk beim kda noch mit einer neuen Idee vor ihm stand: Mit einzelnen Porträts haben Sie ganz unterschiedliche Handwerker in ihrem Beruf vorgestellt. Geistliche Betrachtungen stellen diese in einen größeren Zusammenhang. 

Tatsächlich griff die Begeisterung für dieses Projekt auch auf Rehm über: Mit viel Engagement konnte das Buch (siehe nächste Seite) mit diesen beiden unterschiedlichen Perspektiven jetzt rechtzeitig vor dem Ruhestand erscheinen. Rehm selbst verfasste die Betrachtungen, die den feinfühligen und stimmungsvollen Porträts Hackers eine größere geistige Tiefe geben.

Natürlich soll es auch gerade bei dem aktuellen Mangel an Nachwuchskräften Leidenschaft für das Handwerk wecken, aber gleichzeitig auch zeigen, wie Berufung zum Beruf führen kann. Das Buch drücke aber auch die Hoffnung aus, „dass alles, was man in die Hände nimmt, für andere Nutzen hat“, so Johannes Rehm im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Und dass ein Bewusstsein über den Wert von tragenden Traditionen im Handwerk gerade in einer Welt des Wandels wichtig sei. 

Hoffnung in den Krisen

Damit knüpft der scheidende Leiter des kda an seine Predigt zu seiner Verabschiedung wenige Tage zuvor an: Rehm legte dabei 1. Petr 3, 15 aus: „Hoffnung ist und bleibt ein Geschenk. Sie bleibt unverfügbar. Wenn sie fehlt, dann mangelt es an Lebensnotwendigem. Wenn sie da ist, geht das Leben weiter.“

 Natürlich würden ihm die aktuellen Entwicklungen wie Inflation, Energiekrise und Krieg sowie die zunehmende Spaltung der Gesellschaft große Sorgen bereiten. Doch ließe sich auch dagegenwirken: Mit Beispielen aus der Arbeit des kda illustrierte er, dass Hoffnung sich immer auch in konkretem Handeln zeigen müsse.

Dies war das tragende Motiv des Gottesdienstes zu Rehms Abschied. Oberkirchenrat Blumtritt entpflichtete den kda-Leiter von seinen Aufgaben und würdigte sein Wirken für die bayerische Landeskirche. Lesungen und Fürbitten boten trotz des Abschieds einen hoffnungsvollen Blick nach vorne.

Nach Stationen als Gemeindepfarrer in Erlangen und Studierendenpfarrer in Bamberg leitete Johannes Rehm seit dem Jahr 2006 den kda. Darüber hinaus lehrt er als apl. Professor Praktische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Auch dies würde er nach seinem Ruhestand nur in Ausnahmefällen weiterführen, wenn er entsprechend angefragt würde.

Dass der Theologe stets für eine „nach Außen wirkende Kirche“ stand, zeigte die Gästeliste. Unter den gut 120 anwesenden Menschen, die ihm auf seinem Weg begleitet hatten, waren etwa der ehemalige Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Dr. Günther Beckstein, die Präsidentin der Diakonie Bayern, Dr. Sabine Weingärtner, Professor Dr. Alfred Hierold und Professor Dr. Klaus Raschzok, sowie Dr. Manfred Böhm, Leiter der Betriebsseelsorge des Bistums Bamberg.

Auch zahlreiche Grußworte im Anschluss an den Gottesdienst würdigten Rehms langjähriges Wirken: Diese christliche Reflexionsebene in der Arbeitswelt sei in dieser schnelllebigen Zeit wichtiger denn je, so Bernhard Stiedl, der Vorsitzende des DGB Bayern. Als Vertreter der bayerischen Wirtschaft sprach andererseits gleich im Anschluss Friedbert Warnecke, der Geschäftsführer der Bezirksgruppe Mittelfranken der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Er dankte Rehm dafür, immer ein Mann des Dialogs gewesen zu sein, der beharrlich an Lösungen gearbeitet habe – selbst bei Werksschließungen. Die aktuellen Krisen forderten Wirtschaft und Kirche heraus. Es sei wichtig, gemeinsam Brücken zu bauen. Der Dialog mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern der Wirtschaft bildete einen Schwerpunkt des Wirkens des scheidenden Leiters. Daneben setzte sich Rehm während seiner ganzen Dienstzeit für den Schutz des Sonntages ein.

Auch in seinem ersten theologischen Leben, bevor Johannes Rehm 2006 den kda übernahm, hatte er sich wissenschaftlich und praktisch schwerpunktmäßig besonders der Ökumene und dem interreligiösen Dialog gewidmet. Seine Tübinger Dissertation bei Hans Küng widmete sich der ökumenischen Abendmahlsgemeinschaft. Rehms Schluss: Mit theologischen Gründen sei die konfessionelle Trennung dort nicht zu rechtfertigen. Auch als Bamberger Studierendenpfarrer widmete er sich dem Miteinander von Menschen verschiedener Religionen. 

Noch kurz zuvor hatte Johannes Rehm das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz als Schritt zu einer offeneren und menschenfreundlicheren Migrationspolitik begrüßt. In der Vergangenheit habe die Politik die Migration „oft verhindert statt gefördert“. Dabei seien nun „hohe Zuwanderungszahlen von Erwerbstätigen aus dem Ausland“ sowie weniger Bürokratie und eine freundlichere Willkommenskultur nötig.

Der Arbeitskräftemangel gefährde „viele Wirtschaftsbranchen und das gesellschaftliche Leben insgesamt. Die Kirchen könnten dabei mit dem Gebot der Nächsten- und Fremdenliebe ihre christliche Perspektive einbringen. Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes“, betonte Rehm. Der Pfarrer lobte letzte Änderungen am Gesetz wie die Ermöglichung eines rechtlichen „Spurwechsels“ von Flüchtlingen in die Arbeitsmigration oder besseren Familiennachzug. 

Auch für den zehn Jahre jüngeren Roland Hacker ist ein Perspektivwechsel immer wichtig. Er war Maschinenbautechniker, bevor er mit 27 Jahren seine Ausbildung als Sozialpädagoge bei der Rummelsberger Diakonie begann. Er bedauert, dass in vielen Kirchengemeinden die Erfahrungen der Mitglieder in ihrem Arbeitsleben kaum eine Rolle spielen, obwohl dies für sie durchaus viel Lebenszeit einnimmt. Für Hacker ist das Projekt „Lebenskunst Handwerk“ nicht abgeschlossen. Auf den ersten Innenseiten des Buches findet sich ein QR-Code: Dort lassen sich immer wieder Ergänzungen und weitere Porträts abrufen.

Demgegenüber bedeutet das Erscheinen der „Lebenskunst“ für Johannes Rehm einen Schlussstrich. Im Ruhestand will er sich mehr der „Würde der Ruhe“ widmen und besonders für seine Familie und kleinere Ehrenämter da sein. Schließlich hat er in den vergangenen 17 Jahren dort viel geschafft. Den kda weiß er bei seinem Nachfolger und bisherigem Stellvertreter Peter Lysy in guten Händen.