Die „Taktik“ der Christen

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zur christlichen Lebenspraxis

Von der „richtigen Taktik“ lesen und hören wir immer wieder. Im Sport spielt sie eine große Rolle. Im brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine wird über die Taktik der russischen Armee spekuliert und darüber, wie die Ukrainer sich verteidigen können. Diese Faszination beunruhigt mich. Strategie und Taktik internationaler Konzerne werden aufmerksam beobachtet. Es sind Gewohnheiten und Erfahrungen, Erfolge und Niederlagen, die auch unser Verhalten prägen. Mit Schimpfen und Drohgebärden kommt man ganz schön weit. Christlicher Glaube sieht darin keine angemessene Taktik. Im ersten Petrus-Brief findet sich ein anderes Strategiepapier: 

„ … seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet Böses nicht mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt. Denn ‚wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach.‘ (aus Psalm 34) Und wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? Und wenn ihr auch leidet um der Gerechtigkeit willen, so seid ihr doch selig. Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen. Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann und habt ein gutes Gewissen, damit die, die euch verleumden, zuschanden werden. Denn es ist besser, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen. 

Aus 1. Petrus 3, 8–17

Im Zentrum der guten Ratschläge steht diese Verheißung: „ … dass ihr Segen erbt“. Es geht also um eine ganz besondere Erbschaft. Das ist die Grundlage, der Ausgangs- und Zielpunkt der christlichen Ethik. Ohne diese Unterstützung wäre alles nur Krampf, gliche einem Stabhochsprung ohne Stab. Ja! Uns wird nicht weniger versprochen als dies: Gesegnet sein, heißt im biblischen Sinn ein gelingendes Leben trotz mancher Rückschläge und schwerer Sorgen führen. Zufrieden sein, wenn der Friede mit Gott hergestellt ist. 

Über den Moment hinausdenken dürfen und verheißungsorientiert leben. „Nichts, was durch die Auferstehung nicht in Ordnung gebracht werden wird“, antwortete eine Schwerkranke dem jüngst verstorbenen Pastor Timothy Keller, als er sie nach ihrem Befinden fragte.

Wenn das so ist, wird das Segnen auch unsere Taktik für DIESES Leben sein. Geben wir den göttlichen Segen, in dem wir uns sonnen dürfen, an unser Umfeld weiter. Das erspart mir die Blöße, die ich mir mit Drohen und Schimpfen gebe. 

Segnen verändert uns. Nein, nicht zu willen- und widerstandslosen Opfern, auf denen man mutwillig herumtrampeln kann. Segnen macht uns zu Kämpfern – aber in einer ganz anderen Liga. 

Zum gesegneten Leben gehört das erzählende Gebet: Dem himmlischen Vater am Abend eines Tages erzählen zu dürfen, was passiert ist. Die Feinde segnen. Den Namen Jesu segnend auf die Situation legen. Seufzen und Klagen, wenn es notwendig ist – die Psalmen sind ein Lehrbuch, wie das gehen kann. Alles in Gottes Hände legen. Christus anrufen und so zur Ruhe kommen. 

Pfarrer i.R. Heinz Bogner, Mistelgau