Gottes geistliche Spezialkraft

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über die Geisteskraft

Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was vom Geist Gottes ist; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden. Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt. Denn „wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen“? Wir aber haben Christi Sinn.

1. Korinther 2, 12–16

So eine Schwarz-Weiß-Malerei wie sie Paulus hier betreibt ärgert mich: Hier die Guten, dort die Bösen! Das entspricht weder meiner Lebenserfahrung noch meinem Verständnis der biblischen Botschaft. Ist ein Mensch nicht immer geistlich und natürlich zugleich? Und ist es nicht genau das, worunter wir als Menschen leiden: Dass wir es nicht schaffen, dem Bedürfnis zu entsprechen „im Einklang mit Gott und der Welt zu leben“? Immer wieder diese Ausreißer! Immer wieder dieser „natürliche Mensch“ in mir, der mich dazu verleitet, das Schlechte zu tun: Nach Perfektion oder Macht zu streben, andere zu verurteilen, den Kontakt zu bestimmten Personen abbrechen zu lassen. Wenn ich in dieser Mühle bin, kann ich mich selbst nicht leiden. Zwischendurch wird mir sogar bewusst, wie sich dieser natürliche Mensch meiner bemächtigt und mir lauter Imperative ins Hirn hämmert: „Du bist nicht gut genug! Du musst mehr Sport machen! Du sollst weniger Fleisch essen!“ Atemlos halte ich inne, steige von meinem Fahrrad ab, das zu mir gehört wie eine zweite Haut, und schicke ein Stoßgebet in den Himmel: „Lieber Gott, bitte kommt jetzt zu mir. Schick mir deinen guten Geist. Lass mich spüren, dass du mich liebst.“

Der geistliche Mensch in mir kommt oft zu kurz. Gleichzeitig weiß ich: Er ist da und verlangt nach mehr Raum. Doch im schnellen Takt des Alltags geht er mir einfach verloren. Durch meine komplexen Gedankenspiralen und Ansprüche an mich selbst bin ich am Ende nicht in der Lage, auf seine liebevolle Stimme zu hören. 

Manche Menschen – so sagen wir – sind nicht von dieser Welt. Für mich sind es diejenigen, von denen Paulus schreibt, sie hätten Christi Sinn. Ich habe so eine Freundin. In ihr wohnt der Geist Christi. Sie hat das Herz am rechten Fleck. Mit offenen Augen und Ohren geht sie durchs Leben und ist mitten in der Welt nicht ganz von dieser Welt. Sie bleibt standhaft gegenüber Anfeindungen, Neid oder Erfolgsversprechen. Durch die Brille Gottes schaut sie auf das, was vor ihren Augen ist. In ihrer Gegenwart bin ich selig. Sie bestärkt den Christusteil in mir. Für mich ist sie eine Christusnachfolgerin. Wenn ich nicht weiterweiß, rufe ich sie an. Wenn ich Trost brauche, ist sie an meiner Seite. Sie ist meine Schwester im Geist.

Damit der Geist von Pfingsten, Gottes persönliche Spezialkraft, in uns lebendig bleibt, brauchen wir Inseln im Alltag, um aus der inneren Denkspirale aussteigen zu können. Augenblicke, die uns helfen, ins Vertrauen zurückzukehren. Und zu erkennen: „Mein Leben ist ein Geschenk. Ich bin geliebt.“

Dekanin Dr. Claudia Häfner, Prodekanat München-West