Bezahlen statt Einsparen

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Zur Mitgliederversammlung und Versammlung der Vertrauenspfarrerinnen und -pfarrer des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern tagte man zwei Tage in Rothenburg. Foto: Bek-Baier
Zur Mitgliederversammlung und Versammlung der Vertrauenspfarrerinnen und -pfarrer des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern tagte man zwei Tage in Rothenburg. Foto: Bek-Baier

Frühjahrstagung des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins in Rothenburg

Rothenburg ob der Tauber. Auf der Frühjahrstagung des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in der Evangelischen Tagungsstätte  Wildbad Rothenburg beschäftigten sich die Delegierten mit der Frage: „Welche Fähigkeiten, welche Kompetenzen brauchen Menschen, um in der heutigen Zeit erfolgreich Kirche leiten und gestalten zu können, die gesellschaftlich relevant ist?“  

In Ihrem Bericht ging die erste Vorsitzende Corinna Hektor auf die Zukunftsfähigkeit der Kirche ein. Die bayerische Landeskirche betreibe mit ihrer Landesstellenplanung Mangelverwaltung. „Damit tut man sich zunehmend schwer, den Menschen zu vermitteln, dass wir für sie da sind.“ Begegnungen und Beziehungen zu gestalten – wie zu Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Beerdigungen – brauche Gesichter, Menschen die zuverlässig da sind. „Diese Verlässlichkeit braucht auch Menschen, die wir bezahlen!“, sagt Hektor. „Wer Bindungen auflöst um leichter rumschieben oder regieren zu können, gewinnt Flexibilität verliert aber Wesentliches.“ Die Volkskirche entwickele sich so zu einem „Service-Trupp“, der auch Events veranstaltet.

Ihre Erfahrungen mit der schwedischen Kirche. Es gäbe dort klare Hierarchien, klare Aufgabenaufteilung, begrenzte Arbeitszeiten und Profis für alle Aufgaben. Die Folge wäre eine Willkommenskultur. Die Menschen kämen dort von selbst. „Ich habe gelernt: Arbeit kostet Geld, Zeit und Aufmerksamkeit und Ausbildung. Und: es geht nicht alles ehrenamtlich. Niemand sollte erwarten, dass andere ehrenamtlich machen, was eigentlich ein Beruf ist.“

Als Beispiel führte sie an, „Wir brauchen Hausmeisterinnen und Mesnerinnen, Leute die wissen, wie die Heizung funktioniert, die Spülmaschine und das Läutwerk, die Stühle stellen, Liedblätter falten und mesnern.“ Nicht weil es unter der Würde einer Pfarrerin oder Pfarrers wäre, sondern weil die Zeit teuer ist und nur einmal verfügbar – und weil sich jemand um die Sachen kümmern sollte, der sich damit auskennt. Hektor forderte daher, dass das evaluierte Projekt „Assistenz im Pfarramt“ endlich zu Anwendung käme. Es fehlten klare Ziele und Kriterien für die Auswertung, damit es  tatsächlich Effekte und Änderungen bringen kann.

Der Abbau von Stellen in der Landesstellenplanung entwickle sich zu einem ärgerlichen Dauerthema und einem Selbstbeschäftigungszweck. Die unangenehmen Aufgaben würden dabei an die Dekanate delegiert. Das größte Problem ist, dass die nächste Planungsrunde bereits beginnen würde, kaum dass die bisherige abgeschlossen sei. Hektor fragte, wieviel Selbstbeschäftigung und Frust man aushalten könne.

Der Pfarrer- und Pfarrerinnenverein habe einen Gegenvorschlag gemacht: Statt Einsparen sollte man in die Gemeinden investieren, vor allem in Beziehungen. Dazu benötige es Menschen. Mit mehr Hauptberuflichen könne Kirche lebendig bleiben. Aber die bayerische Landeskirche habe dieses Projekt abgelehnt.

Nachwuchs Fehlanzeige

Der Nachwuchs fehle in der Kirche überall, so Hektor. Die Zahlen seien erschrecken: Ob im Theologiestudium, der Religionspädagogik, Kirchenmusik oder bei den Kirchenbeamten. Im Hebräischkurs – notwendig am Beginn eines Theologiestudiums – im Wintersemester 2021/22 waren lediglich zwei Studierende.

Werben sollen und können vor allem Hauptamtliche. Sie können es vor allem mit ihrem Vorbild. „Ich höre es selbst von jungen Leute, auf die Frage, ob das nichts für sie wäre: bin ich verrückt? Ich seh doch, wie du arbeitest. Das will ich nicht“, berichtete die Pfarrerin. Es bliebe keine Alternative, als den Arbeitsplatz Kirche und den Beruf attraktiv zu machen. Ein gutes Gehalt, das was die meisten in jedem anderem Beruf außerhalb der Kirche selbstverständlich erwartet, könne die Kirche schon nicht bieten. Weitere Punkte seien ein gutes Betriebsklima, Fürsorge und Gespräche auf Augenhöhe „Da ist bei uns noch Luft nach oben“, diagnostizierte Hektor. Ebenso sei bei der Arbeitszeitregelung noch viel Handlungsbedarf. Eine Obergrenze der Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt und eine Kommunizierung in den Kirchenvorständen der Dienstordnung wären ein erster Schritt.

Mitbestimmung macht Betriebe besser. So verstehe sie die Arbeit des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins „Wir verstehen unsere Arbeit, das kritische Lesen und Befragen, Mitdenken und Diskutieren als Beitrag, der hilft, das Ganze besser zu machen.“ Als eine echte Mitarbeit an der Kirche. Kirche täte sich intern aber noch teilweise schwer mit dem Mitgestalten der Arbeitsweisen und dem Miteinander. Das sei schade. „Miteinander geht es besser!“