Die Sache mit der Stadt auf dem Berge

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Eröffnungasgottesdienst beim Ökumenischen Kirchentag
Der Gottesdienst zu Himmelfahrt vom Dach eines Parkhauses in der Frank­furter City eröffente den 3. Ökumenischen Kirchentag.Foto: ÖKT/Jan Lurweg

Eindrücke von Gottesdiensten zum 3. Ökumenischen Kirchentag

„Die Zeit ist da für einen neuen Aufbruch“, sagte Frère Alois, Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé  in seiner Himmelfahrts-Predigt zum Auftakt des 3. Ökumenischen Kirchentages (ÖKT) in Frankfurt. Er sagte das, vor allem im Blick auf das Zusammenleben der Christen verschiedener Konfessionen – einem zentralen Thema des Kirchentags.

„Skandal der Spaltung“

Frère Alois fand mahnende Worte über Missstände in den Kirchen. Seine Hoffnung auf Veränderung verband er mit einer klaren Aufforderung: „Dazu ist in unseren Kirchen eine tiefe Erneuerung notwendig. Strukturveränderungen sind unerlässlich. Um in der Gesellschaft und in unseren Kirchen neu aufzubrechen, braucht es ebenso eine tiefe geistliche Erneuerung.“ Der Ökumene räumte er dabei eine besondere Bedeutung ein und drängte zu mehr Gemeinsamkeit: „Auf keinen Fall dürfen wir uns mit dem Skandal unserer Spaltungen abfinden! Unsere Kirchen können noch nicht alle Glaubensschätze miteinander teilen. Aber Christus ist nicht geteilt. Er ist unsere Einheit.“

Der Frère weiter: „Der Auferstandene ist immer da, egal wo wir sind. Er schenkt uns Hoffnung.“ Wir könnten offener auf Menschen zugehen. „Die Kirche ist eine lebendige Gemeinschaft, im Gottesdienst und auch im Alltag, sie ist Weggemeinschaft. Sie gewinnt wenn sich Christen verschiedener Kirchen zusammentun.“ 

Die evangelische ÖKT-Präsidentin Bettina Limperg machte in diesem Auftakt-Gottesdienst einen Grundgedanken des 3. Ökumenischen Kirchentages stark: „Schaut hin – das ist das Leitwort. Wir wollen dahin schauen, wohin auch Jesus Christus schauen würde. Gott ist da, wo Menschen hinschauen, einander Trost schenken und Not lindern.“ Der katholische ÖKT-Präsident Thomas Sternberg zeigte sich zuversichtlich: „Wir glauben und hoffen: Gott ist dabei, wenn wir feiern und diskutieren.“

„Auf der Grundlage des Gemeinsamen Zeugnisses können wir unsere Gewissensentscheidung treffen. Die Türen stehen offen“, sagte Sternberg, der ebenso Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) ist, im Vorfeld des ÖKT. „Wir vertrauen darauf, dass Jesus Christus – wie er es uns zugesagt hat – in der Feier des Abendmahls und in der Feier der Eucharistie wahrhaftig und wirksam gegenwärtig ist“, heißt es in diesem Zeugnis,  dessen Text im Herbst 2020 vom Präsidium des ÖKT beschlossen wurde. Auch Präsidentin Bettina Limperg, zeigte sich überzeugt: „Die Einladung durch Jesus Christus selbst überwindet das Festhalten am Trennenden der christlichen Konfessionen. Die geöffneten Türen und der für alle Getauften gedeckte Tisch des Herrn betonen das gemeinsame Zeugnis als Grundlage unserer christlichen Existenz.“

Mauern einreißen

In diesem Sinne hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Ansprache zum ÖKT am Freitagabend auch schon den Blick voraus auf den Samstagabend geworfen, an dem Gemeinden Menschen anderer Konfessionen zu ihrem Gottesdienst und zur Mahlfeier einladen. Es sei an der Zeit, „die Spaltung der Kirche zu überwinden“, sagte Steinmeier. „Wie will man die Stadt auf dem Berge sein, Botin des Friedens, wenn Mauern diese Stadt trennen und wir nicht geduldig versuchen, sie einzureißen, so ein Beispiel versöhnter Vielfalt zu sein?“ Zu wünschen sei, dass von diesem 3. Ökumenischen Kirchentag in Deutschland „ein Signal der Ermutigung und des Aufbruchs ausgeht“.

Der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz begrüßte zur Vorabendmesse im Frankfurter Bartholomäusdom so auch „besonders und herzlich die Evangelischen Geschwister – im Dom und an den Bildschirmen.“ Er verlas das Bekenntnis des Präsidiums. Dort heißt es, „Wir vertrauen darauf, dass Jesus Christus, wie er es uns zugesagt hat, in der Feier des Abendmahls und in der Feier der Eucharistie wahrhaft und wirksam gegenwärtig ist.“ In Aufnahme des Kirchentagsmottos sagte der Dekan „Gemeinsam feiern wir dieses Geheimnis unseres Glaubens und lassen uns von ihm zu seinem Gedächtnis sagen: Schaut hin und erkennt mich beim Brechen des einen Brotes und in der Gabe des einen Bechers für euch alle.“

Eucharistie und Abendmahl

Die Eucharistiefeier beginnt immer mit dem Bußakt. Priester und Gemeinde bekennen sich erst als Sünder und bitten um Vergebung, damit sie dann mit reinen Herzen Gottes Wort hören und Gottes Brot essen können. „Ich mache dann mal den Anfang!“, sagte der Priester. Er berichtete, dass er den evangelischen Stadtdekan Achim Knecht eingeladen hatte, die Predigt zu halten. Allerdings hätte das bedeutet, dass dieser im Talar anwesend gewesen wäre und sich nicht hätte im Gewissen frei überlegen können, zur Kommunion zu gehen. „Ich hätte es besser wissen können“, bekannte zu Eltz mit großem Bedauern, „ihm steht eine Absprache der Kirchenleitungen im Weg, wonach Geistliche im Ornat nicht kommunizieren dürfen in der Mahlfeier der jeweils anderen Konfession!“ Knecht habe abgesagt und so „den katholischen Knoten gelöst, den wir nicht auseinander bekommen hätten.“ Knecht las anschließend das Evangelium – im Anzug. Nur so konnte er auch an der Kommunion teilnehmen.

Stadtdekan zu Eltz ging in seinem Sündenbekenntnis zu Anfang des Gottesdienstes noch weiter: „Es gibt eine sehr lange Reihe von evangelischen Christen , die es mit Hochmut und Heuchelei und Herzenshärte in der katholischen Kirche zu tun bekommen haben“, sagte der katholische Geistliche. „Gott allein weiß, wieviele von ihnen, im Verborgenen ihre Tränen abwischen, …, ihre Wunden verbinden und ihren Stolz überwinden mussten, um dann wieder auf uns zuzugehen.“ Er sage das nicht nur für sich, sondern auch für seine Kirche. „Ich bitte Sie, die evangelischen Christinnen und Christen hier im Dom und daheim an den Bildschirmen, um Verzeihung! Und ich danke Ihnen für Ihren Langmut!“

War bisher bei Ökumenischen Kirchentagen lediglich ein Agapemahl möglich, wurde nun ein Abendmahl, „in ökumenischer Sensibilität“ mit gegenseitigen Einladungen in verschiedensten Kirchen aller Konfessionen gefeiert. 

Im Vergleich zum Vorabend fiel das Sündenbekenntnis im Schlussgottesdienst am Sonntag eher mager aus, als lediglich von  Widerständen in der Ökumene die Rede war. Und auch sonst blieb der Gottesdienst in Ausführung und Inhalt hinter den Gottesdiensten am Vorabend und den Möglichkeiten eines Kirchentages zurück. Lichtblick war die Predigt von Mareike Bloedt, Pastorin der Evangelisch-methodistischen Kirche, und Schwester Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, die Gerechtigkeit für alle Menschen in den Kirchen forderten – besonders die Frauen – und zu grundlegenden Änderungen aufriefen.