Das Klingeln, das Unabhängigkeit bedeutet, I

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proSenio-Mitarbeiterin Cornelia Schaller hilft Senioren
Die proSenio-Mitarbeiterin Cornelia Schaller unterstützt eine Seniorin nicht nur bei den Mühen des Alltags, sondern nimmt sich auch Zeit für ein Gespräch. Beim Seniorenservice proSenio werden Senioren unterstützt, die möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben wollen. Foto: gfi

Unterstützung in der Bewältigung des Alltags von Seniorinnen und Senioren

So lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben können: Diesen Wunsch äußern viele Senioren, die auf Unterstützung angewiesen sind. Ambulante Pflege sichert die medizinische Versorgung in Deutschland. Doch was ist mit Kochen, Putzen und den vielen Mühen des Alltags? Mit proSenio schließt die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) diese Lücke und kümmert sich um die Dinge des Lebens, die im Alter an Bedeutung gewinnen – auch oder gerade während der Corona-Pandemie.

„Es ist eine wichtige Tätigkeit, denn so wie es bisher in der Pflege ist, kann es in Deutschland nicht weitergehen!“, sagt Lena Pechar über ihr neues Arbeitsfeld. Sie ist seit 2020 Projektkoordinatorin des Seniorenservice „proSenio“ der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) in Nürnberg. Seniorinnen und Senioren mit Pflegestufe sollen mit dieser Dienstleistung Unterstützung in der täglichen Bewältigung des Haushalts sowie bei der Alltags- und Freizeitgestaltung erfahren. Zusammen mit ihrer Kollegin Heidi Schröter-Scherm, Fachkraft für Alltagsbegleitung sowie einem elfköpfigen Team sorgt sie dafür, dass alte Menschen in und um Nürnberg, Fürth, Erlangen oder Schwabach im Haushalt unterstützt werden oder am sozialen Leben weiterhin teilhaben können.

Erfahrung Seniorenarbeit

Lena Pechar ist von Haus aus Erwachsenenbildnerin. Sie arbeitete bisher meist mit erwachsenen Menschen an deren beruflichen Zukunft. „Das können Menschen in Arbeitslosigkeit, Migranten, Suchtkranke oder Alleinerziehende sein, die eine Zukunftsperspektive brauchen – durchaus auch Senioren“, beschreibt Pechar ihr bisheriges Arbeitsfeld. Aus dieser Arbeit mit arbeitslosen Menschen hatte sie mit ihrem Team zwei interkulturelle Seniorenkreise gegründet und betreut. So entstand die Idee, Pechar ein neues Projekt anzuvertrauen.

Sie arbeitet eigentlich unter dem Dach der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz), ein Anbieter für Leistungen im Bereich beruflicher Bildung, Beratung und Integration. Dazu gehört die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi). Pechar unterstützt von Haus aus Menschen bei der Alltagsbewältigung und beim Aufbau ihrer Kompetenzen fürs Arbeitsleben. Da passt das neue Feld der Unterstützung von Senioren gut ins Programm.

Erfahrung Erzählwerkstatt

Erste Erfahrungen mit der Arbeit für Senioren hatte sie bei zwei Projekten gesammelt. Zum einen war das eine interkulturelle Erzählwerkstatt. „Das hatten wir gedacht als Sprachangebot für eine Gruppe, die keine gezielte Sprachförderung mehr erhält. Sie unterhalten sich einmal die Woche über Seniorenthemen“ – natürlich nur außerhalb von Coronazeiten. Die Arbeit knüpft vorwiegend an Biographien an, über die sich die Senioren austauschten. Unter fachkundiger Anleitung überlegen die Teilnehmer, wie war es früher, wie ist es heute, was waren und sind Vor- und Nachteile, der jeweiligen Zeit. „Das wird gut besucht. Die Hälfte sind Deutsch-Muttersprachler und die andere Hälfte vor allem deutschstämmige Spätaussiedler“, erzählt Pechar. Dazu kam sie, weil in den Seniorencafés der Gemeinden berichtet wurde, dass die Besucher gerne von sich erzählen möchten. „Der Redebedarf bei alleinstehenden und von Armut betroffenen Senioren ist sehr groß“, weiß Pechar.  „Bei diesen Runden stellte sich heraus, dass diejenigen Senioren, die Deutsch als Sprache nicht ganz so gut beherrschen, sich nicht durchsetzen konnten und oft ganz schwiegen. Das moderierte Angebot der neuen Kreise ermöglichte den Menschen in kleinere Gruppen zur Sprache zu kommen und auch ihre Deutschkenntnisse zu erweitern.“

Erfahrung Ansatz Kunst

Zum anderen war es ein Projekt zusammen mit dem Verein „Helfende Hand international“ (HeHanI e.V). Eine Kunstgruppe, die sich auch Kunst-Kultur-Werkstatt nennt. „Das Projekt wendete sich an Menschen, die sich mit Sprache nicht so gut ausdrücken können, deren Stärke eher in handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten liegt und die von einem Künstler angeleitet werden“, erläutert Pechar ihr zweites Seniorenprojekt, das ebenfalls bis heute großen Erfolg hat. „Sie setzen sich mit verschiedenen künstlerischen Techniken auseinander und probieren verschiedene Maltechniken aus.“ Museumsbesuche ergänzen das Programm.

Das neue Projekt

„Das waren die Anknüpfungspunkte, jetzt gibt es was Neues“, leitet Lena Pechar die Vorstellung des neuen Projektes ein. Sie schickt voraus, dass im Jargon der gfi viele Unternehmungen in sogenannten „Projekten“ organisiert sind. Gleichwohl hofft sie, dass dieses Projekt auf Dauer angelegt ist und verstetigt wird. 

„Seit einigen Jahren gibt es die Möglichkeit, dass wenn jemand einen Pflegegrad hat, sogenannte Entlastungsangebote über die Pflegekasse angenommen werden können. „Wenn alte oder auch kranke Menschen den Wunsch haben dennoch zuhause zu leben, gibt es diese Möglichkeiten: Entweder eine Haushaltshilfe oder eine Alltagsbegleitung in Freizeit und Sozialleben.“ Bei Pflegestufe 1 werden etwa vier Stunden im Moment von der Pflegekasse bezahlt. 

Seit Mitte 2020 stellt Pechar und Kolleginnen dieses Projekt auf die Beine. Es gab andere Orte, die schon früher damit begonnen haben. Als Beispiel nennt Pechar das bfz-Markt-redwitz. „Aber in ländlichen Gebieten läuft es anders, als bei uns in der Stadt. Da ist die Situation anders.“ 

„Wir kümmern uns um die Pflegebegleitende Nachversorgung von Senioren in Nürnberg, Fürth und den angrenzenden Landkreisen. Mitarbeitende aus unserem Team gehen in die Haushalte rein, helfen bei der Haushaltsführung oder bei der Freizeitgestaltung“, erläutert Pechar das Konzept. „Das Ganze ist darauf angelegt, dass die Menschen solange wie möglich eigenständig zuhause leben können.“ 

Was kann geschehen? „In den vier Stunden kann beispielsweise der Wocheneinkauf erledigt werden“, berichtet die Projektkoordinatorin. „Dazu hat die Seniorin oder der Senior uns telefonisch den Einkaufszettel durchgegeben. Jemand aus unserem Team erledigt den Einkaufszettel und bringt die Sachen zuhause bei den Senioren vorbei.“ 

Es werden auch Botengänge gemacht, etwa zur Apotheke oder zum Briefkasten. Oder man muss Altglas entsorgen. Ein anderes Beispiel ist die Unterstützung bei der alltäglichen Haushaltsführung, etwa beim Staubsaugen oder Wäsche waschen. Die Mitarbeiterin hilft dann bei der Wäsche, die ein Betroffener nicht alleine manchen kann, wie der Bettwäsche und große Handtücher: Waschen, Bügeln und zusammenlegen. Aber es gilt: Die Helferinnen unterstützen lediglich dabei.  

Tatsächlich wäre diese Dienstleitung auch ein schmaler Grad. „Wir schicken ja keine Putzfrau und keine Pflegerin. „Wir bieten  ,aktivierende‘ und ,resourcenorientierte‘ Unterstützung. Beim Beispiel mit der Wäsche könnte es so aussehen, dass Helferin und Seniorin zusammen daran arbeiten: Eine bügelt, eine legt zusammen. Oder einer spült, einer trocknet  ab. Dafür gibt es die Hilfe“, erklärt Pechar.

=> Teil II: Teilhaben am Leben