Fastenzeit und Fastenbrechen

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Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern. Hintergrundbild: Kraus
Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern. Hintergrundbild: Kraus

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Raimund Kirch

Begonnen hatte alles mit einer umgefallenen Gehhilfe in der Forchheimer Stadtbibliothek. Eine etwa 30-jährige Frau mit Kopftuch war aufgesprungen und hatte sie aufgehoben. Mit einer jüngeren Frau beugte sie sich danach gleich wieder über ihre Bücher. Sie lernten offenbar Deutsch.

Leise flüsternd suchten wir das Gespräch, wobei sich herausstellte, dass Nareen und ihre jüngere Begleiterin aus Syrien stammten, also Kriegsflüchtlinge sind. Wie es mit dem Deutschunterricht liefe, wurden sie gefragt. Sie zuckten mit den Schultern. „Jaaaa schon.“ Aber: Es fehle halt die Praxis; zu wenig Gelegenheiten zum Üben.

Wir vereinbarten daraufhin ein Treffen. Ein andermal versuchten wir es mit einer Aufführung im Theater, womit wir sie natürlich völlig überforderten, dafür luden sie uns zum Essen ein. Es sei doch aber Ramadan, warfen wir ein. Eben deshalb, meinten sie. „Iftarabend“ – das ist der Name für das tägliche Fastenbrechen, zu dem sich die Familie versammelt und auch Gäste willkommen sind.

Am vergangenen Sonntag war es dann so weit. Als wir gegen 18.30 Uhr eintrafen, stand schon die dampfende Linsensuppe am Tisch. Bunte Salatschüsseln, ein Tablett mit appetitlich geschmorten Hähnchenteilen und Beilagen ließen das Wasser im Munde zusammenlaufen. Auch wir hatten, den muslimischen Regeln entsprechend, den ganzen Tag nichts gegessen und getrunken.

Als pünktlich die Ramadankalender-Uhr schlug, griffen alle herzhaft zu. Es wurde schnabuliert, gescherzt, und – radebrechend – erzählt. Auch wir hätten ja Fastenzeit, sogar sechseinhalb Wochen lang, so berichteten wir, worauf von Nareens Cousin in gebrochenem Deutsch die Frage kam, was denn Ostern eigentlich im Christentum bedeute. Und plötzlich waren wir diejenigen, die um Worte rangen.

Muslime kennen zwar den Propheten Jesus, schätzen ihn auch als Mariens Sohn, aber wie von unserer Seite den Christenglauben erklären? Über Gottessohnschaft sprechen? Über die Bedeutung des Kreuzestodes? Und vor allem: wie über die Auferstehung? Am Ende ernteten wir ein verständnisvolles Nicken. Ob wir aber wirklich verstanden wurden? Ich habe da meine Zweifel und frage Sie, geneigte Leserinnen und Leser, wie Sie sich an unserer Stelle bei der Frage „Was bedeutet Ostern“ geschlagen hätten? Sicher besser, oder? 

Raimund Kirch, Mitglied im Herausgeberbeirat

Raimund Kirch
Mitglied im Herausgeberbeirat, ehemaliger Chefredakteur der Nürnberger Zeitung (NZ)