Gott kommt zu Hilfe!

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über den armen Lazarus

Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.

aus Lukas 16, 16–26

Soll noch einer in der Kirche etwas gegen den guten alten Schlager sagen: „Hier ist ein Mensch, schick ihn nicht fort. Gib ihm die Hand, schenk ihm ein Wort. Hier ist ein Mensch, der will zu dir. Du hast ein Haus, öffne die Tür.“ Vor mehr als 50 Jahren hatte Peter Alexander die Nächstenliebe besungen, als stünde ihm dabei die Moral von der Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus vor Augen.

Obwohl die Lebensorte nur wenige Meter voneinander getrennt sind, trennen den Reichen und Lazarus Welten. Im Tod werden nun die Lebensverhältnisse auf den Kopf gestellt: Es ist der Reiche, der leidgeprüft aus der Unterwelt aufschauen muss. Sein Blick findet zu Abraham, dem Erzvater Israels, zusammen mit Lazarus, der dem Totenreich enthoben ist. Was in dessen Namen – auf Hebräisch „Eleasar“ – angelegt ist, scheint sich zu bewahrheiten: „Gott kommt zu Hilfe!“

Für den namenlosen Reichen hingegen ist keine Gotteshilfe vorgesehen. Seine Bitte nach einem schmerzlindernden Fingerdienst durch Lazarus lehnt Abraham ab: „Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt.“ So wie das irdische Leben der beiden himmelweit voneinander getrennt war, gibt es auch nach Tod und Schicksalswende keine Brücke. Der reiche Mann und der arme Lazarus können nicht zueinander finden.

Ganz offensichtlich hat da einer mit seinem Reichtum für sich gelebt. Wer mit seinem Vermögen auf sich selbst fixiert ist, hat damit nicht zu seinen Mitmenschen und schon gar nicht zu Gott gefunden. So endet das eigene Leben in der Beziehungslosigkeit. Was für sich selbst behalten worden ist, führt nicht über den Tod hinaus.

Zu Lebzeiten ist uns der Himmelsblick vorgesehen, wenn wir beten: „Alle guten Gaben, alles was wir haben, kommt, o Gott, von dir. Dank sei dir dafür.“ Trotz Vorsorge und eigenem Vermögen sind wir mit unserem Leben auf Gott und auch auf die Mitmenschen angewiesen. Wer sich dessen bewusst ist, vermag mit anderen zu teilen.

Wirkliches Teilen setzt sich in Beziehung zu anderen, ohne sich dabei zu verausgaben. Ich komme der anderen nahe und nehme mich nach getaner Hilfe auch wieder zurück. Mitunter sind es auch (nur?) Worte, die ihr hilfreich mitgeteilt werden.

Wer der anderen wirklich hilft, zeigt sich ihr nicht überlegen: „Alles wahre Helfen beginnt mit einer Demütigung; der Helfer muss zuerst knien vor dem, dem er helfen möchte und dann verstehen, dass helfen nicht herrschen heißt, sondern dienen.“ (Søren Kierkegaard)

Ich helfe anderen, weil ich lebens-tüchtig, aber nicht lebensmächtig bin. Dies bringt uns zum letzten Punkt: Was Lazarus in Jesu Geschichte widerfahren ist, darf nicht außer Acht gelassen werden. Einem Bettler und Krüppel widerfährt die göttliche Anerkennung seines Lebens in Abrahams Schoß. „Wir sind Bettler, das ist wahr“ lauten die letzten handgeschriebenen Worte Martin Luthers vor dessen Tod. Lazarus – Eleasar – Gott hilft! Im eigenen Leben geht es auch um eine Lazarus-Werdung. An Lazarus gibt es kein Vorbeikommen.

Pfarrer Jochen Teuffel,  Vöhringen/Iller