Hoffnung auf den Geist der Wahrheit

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern: zwischen Himmelfahrt und Pfingsten

Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin? och weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: dass sie nicht an mich glauben; über die Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht; über das Gericht: dass der Fürst dieser Welt gerichtet ist. Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten.

Johannes 16, 5–13

Die Stimmung ist von Angst und Unsicherheit erfüllt. Jesus spricht vom Gehen. Was bleibt? Ich persönlich suche danach, wenn es um Abschied geht. Was bleibt? Woran kann ich mich festhalten? Jesus verspricht: „Es ist gut, dass ich gehe“. Aber, wer will das schon hören in dieser Situation? Und dann kündigt er den Tröster an, den Geist der Wahrheit.“ 

Überzeugend klingt das nicht. Von einem Tröster erwarte ich mir Nähe und Zuwendung.

Dieser Tröster ist anders. Er tut der Welt die Augen auf, da geht es um eine andere Wirklichkeit voller Gerechtigkeit, Erkenntnis und Wahrheit. Eine Wirklichkeit, die sowohl damals wie auch heute unsere vertrauten Lebensumstände völlig umkehrt. Das bringt der Tröster. Diese Wahrheit erfahren wir durch den Geist der Wahrheit.

Das soll beim Abschied helfen? Es ist kein Trost zum Ausruhen. Es ist ein herausfordernder Trost, auf den ich mich erst einmal einlassen muss.

Der Tröster versichert mir, dass ich – trotz allem, was so oft dagegen steht – mit Gottes Wirklichkeit rechnen darf, dass davon etwas in diese meine Welt kommt. Es bleibt also bei den Widersprüchen, die ich aushalten muss.

Trotzdem erlebe ich es als ein tragendes Geschehen. Ich muss nicht an den Zuständen dieser Welt verzweifeln, da gäbe es Grund genug dazu! Ich darf, allem zum Trotz, mit Gottes Wirklichkeit rechnen. Manchmal erlebe ich das schon. Noch nicht ganz groß. Aber etwas davon, wenn Friedensbemühungen Erfolg zeigen, wenn Gerechtigkeit geschieht, wenn wir Heilung erleben. 

Eine Wirklichkeit, in der ich versuche, mich von Gottes Wahrheit leiten zu lassen, in der ich um diese Wahrheit ringe und bitte. Um denen begegnen zu können, die meinen, die Wahrheit zu kennen und auch zu besitzen. Den warmen und weichen Trost muss ich mir wohl woanders suchen. Aber das ist ein Trost, der zum Leben führt. Die Geschichte der Jünger hat es gezeigt. Das gibt mir Kraft, auch wenn heute die Erfolgsgeschichte unserer Kirche keine guten Bilanzen zeigt. Wir brauchen nicht zweifeln, dass sich Gottes Wirklichkeit weiter durchsetzt. Spannend wird es sein, in welcher Form! 

Ulrike Dittmar, Dekanin in Cham