Neu motiviert „schwimmen zu lernen“

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Willi Ulm (unten von links), Stefanie Zeisel und Maximilian Schmidt kümmern sich um die Menschen und die Produktion.Foto: Borée
Willi Ulm (unten von links), Stefanie Zeisel und Maximilian Schmidt kümmern sich um die Menschen und die Produktion.Fotos: Borée

Diakoneo-Werkstätten präsentieren ihr ausgefeiltes Förderkonzept für Mitarbeitende

In der Rothenburger Werkstatt der Diakoneo rattern die modernen Stickmaschinen weiter – obwohl gerade Pause ist. Dazu gab es heute sogar ein Eis. Das haben die Mitarbeitenden sich zuvor selbst besorgt. Auch dieses Einüben lebenspraktischer Fähigkeiten gehört zum Konzept, erklärt Stefanie Zeisel, die die Textilwerkstatt leitet und auch als Abteilungsleitung für die gesamte Werkstatt Rothenburg zuständig ist. 

Dann eilen alle wieder zu ihren Plätzen: Es gibt dort eine Zehn-Farben-Stickmaschine, computergesteuerte Nähmaschinen und einen besonderen Arbeitsbereich zum individuellen Bedrucken von T-Shirts, Tassen, ja sogar Thermosflaschen. Von einem Computer aus lassen sich die Maßanfertigungen exakt steuern – für Vereine, Unternehmen oder Junggesellenabschiede. 

„Die Werkstatt ist ein Zwischenschritt“, erklärt Maximilian Schmidt. Der Sozialpädagoge kümmert sich um die Außenarbeitsplätze und Praktika für die Werkstätten der Diakoneo in Rothenburg ob der Tauber und Obernzenn. Einen besonderen Erfolg stellt es für ihn dar, wenn die Mitarbeitenden „fit“ genug für den Arbeitsmarkt „draußen“ sind. Doch wird ihnen immer ein Platz in der behüteten Atmosphäre der Werkstatt freigehalten. Das christliche Leitbild prägt die Werkstätten der Diakoneo. Genauso ist aber Qualität, Zuverlässigkeit und Präzision bei ihren Maßanfertigungen gefragt.

Die Rothenburger Einrichtung richtet sich gerade neu aus. Nun will sie mehr Menschen mit psychischen Schwierigkeiten im Blick behalten. Gerade während der Corona-Zeit ging vielen Menschen eine Tagesstruktur und viele zwischenmenschliche Kontakte verloren. Was brachte es überhaupt noch, sich den Schlafanzug auszuziehen und zu duschen? Oder Freunde anzurufen?

Menschen auch in der Region Rothenburg verloren dadurch jeglichen eigenen Antrieb. Depressionen übernahmen die Herrschaft. Schüler und Schülerinnen konnten sie selbst nicht mehr für das Homeschooling motivieren. Die Rückkehr in den Schulbetrieb erschien als schwierige Hürde. Lernen für Arbeiten und Prüfungen erschien als schier unüberwindliche Herausforderung – ja, selbst pünktlich zu erscheinen.

Da hilft es, dass sie erst einmal wieder „schwimmen zu lernen“, erklärt Willi Ulm, der insgesamt bei der Diakoneo in der Region Rothenburg und Obernzenn den Bereich „Arbeits- und Tagesstruktur“ leitet. Gerade „Quereinsteiger“ in die Werkstatt haben bereits viele Erfahrungen des Scheiterns hinter sich, die zusätzlich entmutigen. Was will und kann der Einzelne? Diese Frage leitet Schmidt und Ulm, die gerade erst in den vergangenen Monaten ihre neuen Aufgaben übernommen haben. Dabei soll die Belastbarkeit des Einzelnen trainiert werden.

Da ist dann eine besondere individuelle Förderung der Fähigkeiten, Talente und der Persönlichkeit wichtig. Natürlich gibt es auch Mitarbeitende mit Down-Syndrom oder verminderten geistigen Fähigkeiten. In Obernzenn und Rothenburg kommen ungefähr 110 Menschen zusammen, wobei längst nicht alle im Innenbereich der Werkstätten arbeiten. Praktika, ein individuelles Förderplansystem, arbeitsbegleitende Maßnahmen, leistungsbezogenes Entgelt und Begleitung für die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt – das sind nur einige der Stichpunkte. 

Eng arbeiten die Werkstätten mit mittelständischen Firmen vor Ort zusammen: In Obernzenn steht die Metallverarbeitung im Mittelpunkt. Viele Werkstatt-Arbeitsplätze in Rothenburg bieten neben textiler Gestaltung auch Montage und Verpackung an: Gerade etwa werden Räuchermännchen für Käthe Wohlfahrt sorgfältig verpackt. So erhalten alle nach ihren Fähigkeiten Chancen.

Bevor sie die Aufträge annehmen, prüfen Stefanie Zeisel und Maximilian Schmidt zunächst genau auch deren pädagogische Wert und Vielseitigkeit. Welche Möglichkeit bietet er, um alle zu fördern und Schwächere einzubinden? Ein detaillierter Katalog hilft ihnen dabei. 

Dabei konnte sich die Werkstatt Rothenburg so weit gut durch die Corona-Zeit navigieren. Lediglich im ersten Lockdown ab März 2020 musste sie schließen. Später gab es zum Glück keine schweren Verläufe. Wenn in einer Wohngruppe das Virus durchging, gab es natürlich Mitarbeitende in Quarantäne. Menschen mit Vorerkrankungen etwa im Lungenbereich waren besonders geschützt. Doch das ließ sich gut auffangen, so Willi Ulm. Noch immer herrscht Mitte Mai Maskenpflicht in der Einrichtung. Es gibt dreimal wöchentlich Tests. Desinfektion ist wichtig. Ein mobiles Impfteam kam eigens in die Werkstatt.

Besonders sichtbar in der Tauberstadt ist nun im Frühjahr das „Green Team“: Es kümmert sich seit gut zehn Jahren um die Garten- und Landschaftspflege vieler kommunale und gewerbliche Grünflächen. 

Idealerweise sollen die Beschäftigten auch in den Firmen selbst tätig sein. Gleichzeitig sind sie dort zunächst besonders betreut. Das Ziel sei aber immer, die Menschen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu bringen. Denn sie geben dort viel zurück: Sie sind hochmotiviert und haben oft eine hohe Sozialkompetenz. Das komme dann dort dem allgemeinen Betriebsklima zugute.

=> Mehr unter https://www.diakoneo.de