Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Susanne Borée über himmlische Beschirmung
„Ich habe mein Wort in deinen Mund gelegt und habe dich unter dem Schatten meiner Hände geborgen“, so heißt es in Jesaja 51, 16. Trost ist das bestimmende Thema des Propheten am Ende der Exilszeit. Schatten bietet Schutz. Er erscheint offenbar keineswegs als furchterregend, sondern als Zufluchtsort – nicht nur vor der erbarmungslosen Hitze.
Die „Hand Gottes“ – bei einer kurzen Abfrage im Netz erscheint da gleich unter den ersten Treffern eine bedrohliche Wolkenformation auf Madeira. Mit etwas Fantasie erscheint sie als geballte Faust, umrahmt vom Lodern der Morgenröte. Und obwohl das Foto schon ein paar Jährchen älter ist, beschäftigte es offenbar die Einbildungskraft vieler Menschen.
Da ich von dieser Himmelserscheinung erst später erfahren habe, kann ich nicht sagen, wie schnell sich diese Wolken dann wieder aufgelöst hatten. Die Morgenröte verblasst in diesen Breiten schnell.
Gott galt seit ältesten Zeiten als Herr des Wetters – vielleicht ursprünglich ein Gebieter über Blitz und Donner sowie über die feuerspeienden Vulkane. Er hat nicht nur die Sintflut verursacht, sondern kann sowohl erfrischen als auch schrecklichen Regen bringen, der alles hinwegschwemmt.
Auch wenn der Winter jetzt nach Pfingsten scheinbar bruchlos in den Hochsommer übergegangen ist, so hat Gott schon nach der Sintflut angekündigt, dass es auf der Erde ständig den Wechsel von Frost und Hitze geben wird. Für diese stetige Veränderung ist wieder der Schatten ein Sinnbild, das die Psalmen verdichten: „Meine Tage sind dahin wie ein Schatten, und ich verdorre wie Gras“ (Psalm 102, 12 und öfter).
Wann Hitze wärmt und wann sie erschöpft, das erscheint für jeden Menschen ganz unterschiedlich. Und es hat auch eine tiefe Beziehung zu meiner jeweiligen Situation: Kleben meine Finger an der Tastatur im Büro? Oder liege ich gerade am See? Spüre ich den Wind in meinen Haaren oder muss ich ganz dringend noch meinen nächsten Termin erreichen?
Doch bestimmen tröstliche Bilder die Vorstellungen vom Schatten in der Bibel: „Beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel“, heißt es etwa in Psalm 17, 8. Bei der Hitzewelle der vergangenen Wochen und dem darauf folgenden Stürmen gewinnen diese religiösen Erfahrungen, die am Rande der Wüste entstanden, eine Tiefe im eigenen Erleben.