„Notwendige Gefährtin“ und Teilhaberin

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Elfenbeintafel mit thronendem Christus und ottonischem Kaiserpaar: Otto II. mit Theophanu in Augenhöhe und Otto III. als Baby.
Elfenbeintafel mit thronendem Christus und ottonischem Kaiserpaar: Otto II. mit Theophanu in Augenhöhe und Otto III. als Baby.Foto: (Inv. Nr. A 15), Milano, Raccolte d’Arte Applicata, Castello Sforzesco, Milano © Comune di Milano, tutti i diritti riservati

Kaiserinnen teilten oft die Macht ihrer Männer und brachten eigene Herrschaften mit ein:

Frauen an die Macht! Bei einem genauen Blick auf diese moderne Forderung zeigt sich jedoch: Auch schon früher konnten manche Frauen durchaus Macht ausüben – wenn auch einzelne. Was war dort vor tausend Jahren? Zum Internationalen Frauentag am 8. März geht das Sonntagsblatt Spuren aus der Zeit von etwa 950 bis 1200 nach. Diese Idee entstand aus Impulsen der Mainzer Ausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“. Auch wenn sie leider noch geschlossen ist, so gab es doch durch sie spannende Einblicke:

Adelheid von Burgund war zum Herrschen geboren: 931 oder 932 erblickte sie das Licht der Welt. Doch war ihr nicht in die Wiege gelegt, an der Seite Ottos des Großen zu herrschen. Mit 16 Jahren heiratete sie König Lothar in Norditalien. Schon als junges Mädchen galt sie als besonders fromm und mildtätig. 

Nach nur drei Ehejahren war sie allerdings Witwe. Der neue Machthaber, Markgraf Berengar von Ivrea, wollte sie zwingen, seinen Sohn zu heiraten. Als sie sich weigerte, kerkerte er sie ein. Sie konnte aber mit ihrer kleinen Tochter Emma fliehen. Praktisch, dass der fast 20 Jahre ältere Kaiser Otto I. der Große gerade auch verwitwet war: Er eilte zu Hilfe – und heiratete nun selbst Adelheid. 

Sie brachte nicht nur weite Teile Norditaliens in die Ehe ein, sondern ist vielfach als „Consors regni“, als Teilhaberin des Reichs, bezeugt. In vielen Kaiserurkunden trat sie als Vermittlerin oder Fürsprecherin auf. 973 folgte Otto II. seinem Vater auf den Thron. Doch bereits zehn Jahre später starb er. Für seinen dreijährigen Sohn Otto III. übernahm Adelheid mit ihrer Schwiegertochter Theophanu aus der byzantinischen Kaiserfamilie die Regentschaft. 

Manche älteren Historiker beschreiben eine Rivalität zwischen den beiden Frauen. Dies ist aber nur dünn belegt. Adelheid führte weiter die Regierung in Italien und hielt teils Hoftag mit Theophanu. Nach deren frühen Tod bis zu Ottos vorzeitiger Mündigkeit führte Adelheid allein die Regentschaft für ihren Enkel. 999 starb sie. Sie musste nicht mehr erleben, dass ihr Otto III. 1002 ohne Erben starb – und die Dynastie erlosch.

Gisela brachte ihr Netzwerk ein

Da war Gisela von Schwaben ein kleines Mädchen. Sie erblickte wohl 989 oder 990 das Licht der Welt. Als die direkte Dynastie der Ottonen erlosch und auch deren Verwandter Heinrich II. anno 1024 ohne Erben starb, erlangte ihr Gemahl Konrad II. die Herrschaft im Deutschen Reich.

Sie heiratete den ersten Salier bereits 1016/17 in dritter Ehe. Da war noch nicht absehbar, dass er die Königswürde übernehmen könnte. Oder hatten sie durch die Heirat den Grund dazu gelegt? Ihr verwandtschaftliches Netzwerk war bedeutender als seins.  

Gisela galt als schöne und kluge, aber etwas herablassende Frau. Dem Hofgeschichtsschreiber Wipo zufolge war sie Konrad eine „necessaria comes“, eine notwendige Gefährtin. Als Beraterin und Vertraute war sie in viele Entscheidungen eingebunden. In jeder zweiten Herrscherurkunde ist ihre Vermittlungstätigkeit bezeugt. Als Stellvertreterin ihres Mannes saß sie wie Adelheid und andere dem Königsgericht vor. Gisela war bei den traditionellen Kirchengründungen von Herrscherinnen in Speyer aktiv und schuf den neuen Dom zur Grablege der Salier. 

In einer Illustration des Bamberger Perikopenbuches, das die Mainzer Ausstellung dokumentiert, krönt Christus sie zusammen mit ihrem Gemahl. Mit je einer Hand setzt er beiden die Krone auf. Und das, obwohl oder weil Gisela eine eigene Krönung erst mühsam durchsetzen musste. Das Paar steht aufrecht vor Christus und hat sich nicht einmal niedergeworfen wie die Ottonen auf der Elfenbeintafel oben: Mit ihr sollte die Herrschaft Ottos III. legitimiert werden. Im Speyerer Evangeliar knien aber Konrad und Gisela gekrönt und gleichrangig vor Christus.

Wie die Krönung schwache Frauen stärkte

Durch die Krönung verloren Herrscherinnen ihre angebliche weibliche Schwäche, gewannen die Kraft einer Esther oder Judith aus dem Alten Testament. Und sie hatten sogar Anteil an der „virtus“, der männlich verstandenen Tugend.  

Die Gemahlinnen der Ottonen und frühen Salier gewannen so eine Position, die auch im europäischen Vergleich einzigartig war. Allerdings ist die Entwicklung nicht gradlinig. 

Selbst Heinrich IV. (der nach Canossa ging), ebenfalls ein Salier und Enkel Konrads II., hielt offenbar wenig von seinen Frauen. Dies, obwohl (oder wieder: weil) eine starke Mutter für ihn die Regentschaft geführt hatte. Seine zweite Frau Eupraxia beschuldigte ihn öffentlich der Gewalttätigkeit und floh in ihre Heimat Kiew zurück. Doch erst seit kurzem diskutieren Geschichtsforschende, ob da mehr dahinterstand als ihre bösartige Verleumdung. Der Vorwurf war ziemlich einzigartig. Und Heinrich ist auch sonst nicht gerade für starke Impulskontrolle bekannt.

Viele Facetten starker Herrscherinnen wären noch darzustellen. Ein Sprung von rund hundert Jahren zeigt eine gänzlich andere Herrscherin: Konstanze (1154–1198) war die letzte ihres Hauses von Sizilien, das damals Süditalien umfasste. Doch zählte sie bereits fast skandalöse 30 Jahre, bevor ihre Heirat mit dem späteren Heinrich VI., dem Sohn Barbarossas, stattfand. War sie so hässlich? Das vermuten Chronisten gerne. Doch über ihr Äußeres ist nichts überliefert. 

Ihren Herrschaftsanspruch in Süditalien musste Heinrich VI. erst zurückerobern. Ende 1194, mit 40 Jahren, gebar sie den späteren Kaiser Friedrich II. Sie kam öffentlich nieder: Um Zweifel an ihrer für damalige Verhältnisse späten Mutterschaft zu zerstreuen. Nun sollte sie wieder im Süden die Herrschaft übernehmen – mit Hilfe des dortigen Verwaltungsapparats und fast schon unter Kontrolle von Heinrichs engen Vertrauten. Ihr Mann starb unvermutet 1197 wohl an Malaria. Doch ging das Gerücht, dass Konstanze ihn vergiftet hätte. Sie kämpfte darum, die Herrschaft für ihren Sohn im Süden zu sichern. Da ging sie durchaus geschickt vor, doch starb sie 1198.

Ähnlich wie bei Giselas angeblicher Überheblichkeit zeigt sich auch bei den Vorwürfen gegenüber Konstanze, wie schmal der Grad ihrer Anerkennung war. Sie vertraten durchaus einen abwesenden oder minderjährigen Herrscher. Sie übernahmen verschiedene Rollen – wenn auch in gewissen Rahmen. Andererseits konnte ihre Stärke leicht negativ betrachtet werden.

Amalie Fößel (Hg.): Die Kaiserinnen des Mittelalters, Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2011, 326 Seiten; 34,90 Euro; ISBN 978-3-7917-2360-0. Katalog zur Ausstellung: Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht, 560 Seiten, wbg Theiss 2020, ISBN 978-3-8062-4174-7, 48 Euro im Buchhandel.

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