Obdachlose und Ärmste in Nürnberg, Würzburg oder München sollen weiter Hilfe finden
Wer leidet nicht unter der Corona-Krise: den Ängsten vor der Ansteckung, der Ausgangssperre und der Einsamkeit? Dennoch trifft es die Schwächsten besonders hart. Tabea Bozada von der Stadtmission Nürnberg berichtete bereits in den ersten Tagen nach Ausrufung des bayerischen Katastrophenfalls von einem verzweifelten Hartz-IV-Empfänger, der bei ihr anklingelte: Würde er noch Leistungen erhalten? Er könne doch gar nicht mehr die Termine bei der Arbeitsagentur in nächster Zeit wahrnehmen – zumal diese mit den Kurzarbeiter-Anträgen schon heillos überlastet seien!
Zu diesem Zeitpunkt hatten die Arbeitsagenturen bereits mehrfach gemeldet, dass ihre Leistungen in dem Krisenfall nicht gefährdet und auch die üblichen Sanktionen ausgesetzt seien. Trotzdem gestaltete sich das Telefonat mühsam und zeitaufwendig: Der Anrufer ließ sich kaum beruhigen.
Fast gleichzeitig schickte die Tafel Erlangen einen verzweifelten Appell über ihre E-Mail-Verteiler in die Welt: Sie bat um Lebensmittelspenden. Bei den Supermärkten und Geschäften blieben aufgrund der Hamsterkäufe immer weniger Lebensmittel übrig. Daraufhin kamen Gaben. Trotzdem kann die Tafelausgabestelle bis auf Weiteres nur noch mittwochs geöffnet bleiben. Alle älteren ehrenamtlich Mitarbeitende sind gebeten, zu Hause zu bleiben.
Die Münchner Tafel mit eigentlich 27 Ausgabestellen für 20.000 Bedürftige kann während der Ausgangsbeschränkungen die Lebensmittel nur noch von Montag bis Samstag am Großmarkt abgeben.
Zunächst mussten Tafeln in vielen kleineren und mittleren Städten ihren Betrieb herunterfahren.
Ebenfalls im Notbetrieb laufen die größeren Bahnhofsmissionen weiter. Oft halten die hauptamtlichen Kräfte sie an wenigen Stunden am Tag offen. Vielfach bittet eine Notfalltelefonnummer an der Eingangstür zunächst um telefonischen Kontakt, über den die Mitarbeitenden für Gespräche oder eine Beratung zur Verfügung stehen. Sie reichen dann Lebensmittelpakete und heiße Getränke in Pappbechern hinaus. Die Münchner Bahnhofsmission bietet noch Notfallberatung. Sie gibt Essenspakete mit und Kleidung für den Notfall heraus. Die Schlange der Wartenden reichte dabei weit die Straße hinab, so hieß es telefonisch. Sie hofft so lange wie möglich offen zu bleiben, hieß es bei Redaktionsschluss.
In der Würzburger Bahnhofsmission gab es noch Brotzeiten täglich von 9 Uhr bis 12 Uhr und von 15 Uhr bis 18 Uhr.
„Gehen Sie nach Hause“, dieser Ratschlag hilft wohl wenig, wenn die Menschen gar kein Zuhause haben, so Günther Purlein. Die Obdachlosenbehörde der Stadt Würzburg hat nun erstmals die städtische Unterkunft in der Sedanstraße 1–3 dauerhaft geöffnet. Security-Personal führt dann die Aufnahmen durch, so der Geschäftsführer der Christophorus-Gesellschaft in Würzburg. Aufnahmen sind nun sogar nachts und notwendigerweise auch tagsüber am Wochenende wegen der Ausgangsbeschränkung.
Die Christophorus-Wärmestube ermöglicht noch an einigen Tagen von 12 bis 14 Uhr Körperhygiene und Duschen. „Die Nachfrage war sehr überschaubar“, so Günther Purlein. Allerdings kann man auch währenddessen hinterlegte Post abholen. Es wird bei Bedarf Kontakt zu ehrenamtlichen Anwälten vermittelt. Dort hilft nach telefonischer Anfrage eine medizinische Notfallversorgung nicht krankenversicherten und wohnungslosen Menschen. Auch bei der Herberge und Kurzzeitübernachtung für Männer gab es zuletzt nur überschaubare drei bis vier pro Nachfragen pro Nacht. Sie läuft weiter wie bisher.
Leider ausgesetzt ist die persönliche Beratung bei der Strafffälligenhilfe. Telefonisch ist sie über den dortigen Sozialdienst möglich. „Die Onlineberatung für Angehörige Gefangener wird wahrscheinlich demnächst intensiviert“, so Purlein, da die Besuchseinschränkungen natürlich auch im Gefängnis greifen.
Jeder Helfende, der „nicht unerlässlich vor Ort sein muss, ist zu Hause, im Homeoffice, im Dienst“, so Günther Purlein. „Alle Leitungen sind auch zuhause direkt online erreichbar.“ Dies gilt gerade für die Schuldenberatung. Die Helfer rechnen damit, dass sie verstärkt in Anspruch genommen werden muss durch die „Welle“ von Kurzarbeit und Entlassungen.
Auch alle Beratungen der Stadtmission Nürnberg und der Diakonie Erlangen finden „fast nur noch telefonisch, per E-Mail und Chat“ statt, so Tabea Bozada. Das gilt auch für die Betreuung der Klienten von therapeutischen Werkstätten und der Tagespflege. Für alle Heime und die Sucht-Rehaklinik gilt ein striktes Besuchsverbot.
Die Nürnberger Ökumenische Wärmestube hilft nur noch im „To go Betrieb“ Bedürftige. Und sie dient eingeschränkt als offene Anlaufstelle für Obdachlose, erklärte Stadtmission-Sprecherin Bozada.
Dabei arbeiten die Teams an einem weiteren Notfallplan: Ein Teil arbeitet zu Hause, ein Teil vor Ort, um zur Not noch eine Reserve „nachrücken“ lassen zu können. „In einem leerstehenden Nachbargebäude wird ein improvisierter 2. Verwaltungsstützpunkt für den Quarantänefall eingerichtet“, so Bozada.
Der Verein Straßenkreuzer stellte sofort nach Ausrufung des Katastrophenfalls den Vertrieb seines Straßenmagazins ein. Damit sollen die rund 80 Verkäufer, ehrenamtliche Vertriebsmitarbeiter und Kunden vor Ansteckung geschützt werden. Die aktuelle Ausgabe steht zum Herunterladen auf der Homepage strassenkreuzer.info zur Verfügung. Dazu bittet der Verein um Online-Spenden, um die „Verkäuferinnen und Verkäufer nicht im Stich“ zu lassen. Susanne Borée
– Notfalltelefon der Christophorus-Gesellschaft und Bahnhofsmission Würzburg 0931/7304-8800. Mehr: https://www.christophorus-wuerzburg.de. Kontakt zur Schuldnerberatung Tel.: 0931 32241 3 (werktags von 9 bis 12 Uhr, donnerstags zusätzlich 14 bis 16 Uhr, E-Mail: info@christophorus.com.
– https://www.bahnhofsmission-muenchen.de oder Telefon: 089/59 45 76.
– https://www.stadtmission-nuernberg.de, Telefonzentrale 0911/35 05-0.