Kein Geist der Verzagtheit

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Susanne Borée Editorial in der Frühlingshoffnung

Pfingstliches Editorial von Susanne Borée im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7). Mehr als 14 Monate ist es her, seitdem ich Sie am 15. März 2020 mit diesem Spruch an dieser Stelle  grüßte. Damals standen wir ganz am Beginn der Corona-Krise. Niemand konnte voraussehen, was die folgenden Monate uns bringen würden. Und dass wir nun noch mittendrin in der Krise sind.

Dennoch ist auch dieser Bibelspruch in den vergangenen Monaten bedeutsammer geworden, als ich voraussehen konnte. Nicht nur  die Hoffnung auf die Kraft und Liebe des Heiligen Geistes ist notwendiger geworden. Auch an der Besonnenheit scheint es immer mehr zu mangeln, je länger diese Pandemie dauert.

Der Geist des Verwirrens, des Durch-eianderwerfens, auf Griechisch Diabolus, scheint mehr und mehr die Macht übernommen zu haben. Dort, wo es an Liebe und Kraft mangelt, scheint er ein besonders leichtes Spiel zu haben. Unduldsamkeit und Enge des Denkens machen ihm die Existenz leichter. 

Zur Unterscheidung der Geister hilft bereits der alte Satz: „Wer schreit, hat Unrecht.“ Wer sich zu sehr in seine Verletzungen hineinsteigert, verletzt nicht nur formale Ebenen der Gesprächsführung, sonder stellt sich schon dadurch inhaltlich ins Abseits.

Berühmt ist da immer noch die alte „Anleitung zum Unglücklichsein“ von Paul Watzlawick, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte: Ein Mann braucht dringend einen Hammer von seinem Nachbarn. Doch hat ihn dieser gestern nicht richtig gegrüßt? Da steigert sich der Mann in seinen Monologen immer mehr in Vermutungen hinein, warum ihm sein Nachbar niemals aushelfen würde, sowieso etwas gegen ihn hat und eigentlich der größte Egoist ist. Endlich klingelt er bei diesem und schreit den Verdutzten mit aller Kraft an.

Gegen die steigende Flut an solchen Verstrickungen weder den Mut noch die Ruhe zu verlieren, auch dazu hilft uns der Geist Gottes, der leise Töne liebt. Er will uns neue Perspektiven geben – aber genauso bei diesem digitalen Kirchentag. Kurt Marti hat da Maßstäber gesetzt.

Den Geist „der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit” nannte ich vor 14 Monaten ein „wirkliches Sehnsuchtsziel jenseits unserer menschlichen Pläne“. Diese Hoffnung gilt immer noch – und mehr denn je.