„Offene Augen und Ohren für andere“

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Regionalbischöfin Dorothea Greiner. Foto: Borée
Regionalbischöfin Dorothea Greiner. Foto: Borée

Die Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner zieht eine Bilanz ihres Wirkens

„Es ist toll, wenn man eine Aufgabe hat, die so schön ist!“ Bewegt zieht die Bayreuther Regionalbischöfin Dorothea Greiner eine Bilanz ihres Berufslebens. Denn die 65-Jährige wird nur noch wenige Woche ihren Kirchenkreis leiten – der Ruhestand steht vor der Tür. Am Sonntag, 28. Juli, wird sie offiziell verabschiedet, doch erst am Reformationstag den letzten Gottesdienst als Regionalbischöfin feiern: in Münchberg.

Dazwischen stehen noch viele einzelne Abschiede, Gespräche und Urlaub für sie an. „Und es ist sinnvoll, dass ich vorher ausziehe“ – aus ihrem Dienstsitz in einer fast kleinstädtisch ruhigen, grünen Straße im Westen Bayreuths. Er wirkt fast wie ein Gemeindepfarramt in einem Vorort. Gegenüber ertönen die Glockenklänge der Evangelischen Erlöserkirche. Doch ihr üblicher Predigtort ist die zentral gelegene Stadtkirche.

„Ich habe mich immer gefreut, mit den Menschen Gottesdienst zu feiern.“ Bei Visitationen in den Dekanatsbezirken ihrer Region war dies für sie immer ein besonderer Höhepunkt. Und fast alle Kirchengemeinden, in denen seit 2009 eine Pfarrstelle frei wurde, besuchte sie: 234 Stellenbesetzungsgespräche zählte ihr Team. Sie „boten Raum, die anstehenden Veränderungen im Gottvertrauen zu bedenken“. Und sie unterstützen ihr Anliegen, „offene Augen und Ohren für andere“ zu bewahren.

Bewusst hatte sie sich vor 15 Jahren für Oberfranken entschieden: Nicht nur ihr Ehemann Gottfried Greiner stammt dorther, sondern auch ihr selbst ist gerade die Christusbruderschaft Selbitz zur geistigen Heimat geworden. „Kraft zur Gestaltung aus dem Glauben“ gaben ihr schon zu ihrer Zeit als Oberkirchenrätin in München regelmäßige Exerzitien in der Christusbruderschaft Selbitz: Jedes Jahr verbringt sie eine Woche dort – schweigend.

Als erste Frau wirkte Dorothea Greiner seit 1999 als Mitglied des Landeskirchenrates in München: Zunächst als Leiterin der Abteilung für Aus-, Fort-, und Weiterbildung, dann seit 2001 für die Personalabteilung. In diese Zeit fiel der „erste Konsolidierungsprozess der Landeskirche.“ Sie hatte 28 Millionen Euro dauerhaft einzusparen.

Wichtige Neuerungen, die sie als Personalchefin einführte, haben bis heute Bestand wie etwa das Programm „Leitung wahrnehmen in der Kirche – LeiwiK“: Neue Dekaninnen und Dekane bekommen Zeit, sich auf ihr Leitungsamt vorzubereiten: Rund zwei Monate lang hospitieren sie bei Kollegen, besuchen Fortbildungen und nehmen eine spirituelle Auszeit. Dieser Schwerpunkt war Greiner auch bei der neu eingeführten „Begleitung Theologie-Studierender“ wichtig. Auch ihnen soll eine solche wöchentliche Auszeit zugutekommen, ebenso wie ein Wochentraining zur Kommunikationsfähigkeit.

Ihre eigene theologische Ausbildung beendete Dorothea Greiner, während sie bereits – zusammen mit ihrem Mann, der sie stets kräftig unterstützte – zwei kleine Söhne aufzog. Nach ihrer Zeit als Studienreferentin am Predigerseminar Bayreuth promovierte sie zum Thema „Segen“. Seit 1996 war sie in Stellenteilung mit ihrem Ehemann Pfarrerin im oberbayerischen Holzkirchen bei Bad Tölz, einer großen Diasporagemeinde mit sechs Kommunen.

Höhepunkte in Bayreuth

Nach ihrer zehnjährigen Zeit als Oberkirchenrätin in München legte sie seit 2009 als Bayreuther Regionalbischöfin Grundlagen für die übergreifende Zusammenarbeit von Gemeinden und zu regionalen Schwerpunkten, um eine „zukunftsfähige Kirche“ zu schaffen. Das Miteinander der Berufsgruppen sieht sie wachsen. Auch Präventionskonzepte gegen Missbrauch vor Ort ziehen immer weitere Kreise. Ehrenamtliche übernehmen viele Aufgaben. Alle Mitarbeitenden brauchen geistliche Vertiefung, um zur „einladend missionarischen Wendung nach außen“ gestärkt zu werden. Abschiedsrituale bei Entwidmungen von Kirchen erlebte sie als schmerzhaft aber notwendig um diese „Verlust- und Trauererfahrungen zukunftsorientiert zu verarbeiten“.

Dagegen ließ sich der kulturelle Schatz der Markgrafenkirchen rund um Bayreuth und Kulmbach heben und bewahren. Mit Hilfe von Drittmitteln wurden gut 95 Kirchen inventarisiert. 59 Kirchen wurden inhaltlich und touristisch erschlossen.Ein Symposium vor drei Jahren beleuchtete ihre Kulturgeschichte. Daraus entstand – wie berichtet – ein spannender Sammelband. Führungen geben weitere Einblicke.

Was liegt Dorothea Greiner weiter am Herzen? Die Telefonseelsorge in der Region, für die Ehrenamtliche dringend gesucht werden. Die Fernsehgottesdienste, ein Kind der Corona-Zeit im Kirchenkreis laufen weiter – inzwischen sind es rund 150 geworden. Das weitere Wirken des Evangelischen Bildungszen-
trums in Bad Alexandersbad ist für sie genauso ein Herzensanliegen wie die Bayreuther Hochschule für Kirchenmusik und die evangelische Jugendbildungsstätte Neukirchen.

Gleichzeitig ist die Liste ihrer persönlichen Höhepunkte in Oberfranken seit 2009 lang. Gleich nach dem Beginn der Lutherdekade übernahm sie dieses Amt. Deren Jahresthema 2012 lautete „Reformation und Musik“ 1.200 Bläserinnen und Bläser kamen dazu nach Coburg. Ein Jahr später gab es das ökumenische Ehefest auf Schloss Craheim mit hunderten konfessionsverschiedenen Paaren. Noch vor wenigen Jahren zerrten Vertreter beider Kirchen an ihnen: Unter welchem Segen sollte die Heirat stehen? Wie sollte die Erziehung der Kinder aussehen? Nun baten Greiner und der Domkapitular Dr. Josef Zerndl stellvertretend um Verzeihung: „Heute ist etwas heil geworden in unserem Leben“, vertraute ihr ein Paar an.

Die Ökumene ist Greiner ohnehin äußerst wichtig – auch zu den Böhmischen Brüdern in Tschechien und der anglikanischen Kirche.

Die Seelsorge für Geflüchtete „legte mir Gott vor die Füße“. Ostern 2016 blieben iranische Gäste in einem ihrer Gottesdienste sitzen und wollten getauft werden – am besten sofort. Dazu entstand schnell eine Einheit von zehn Doppelstunden Taufunterricht. Im Juli konnten die ersten zwölf getauft werden. Bewegt erinnert sich Greiner daran, wie sie laut ihr Glaubensbekenntnis sprachen.

Nun sind es rund 170 neue Christen. Mehrere von ihnen besuchten später eine Lektorenausbildung, einer gestaltet nun die Jugendarbeit in Bayreuth mit. Bei vielen Getauften setzte sich die Regionalbischöfin – wie berichtet – dafür ein, dass sie nicht abgeschoben wurden. Daneben gestaltet sie monatlich internationale Gottesdienste in sechs Sprachen. Dem spirituellen Geist folgen die Ökumenischen Alltagsexerzitien, die sie 2012 mit initiierte und die deutschlandweit Kreise ziehen.

Nach ihrer Pensionierung will das Ehepaar den Weg zur Tertiärgemeinschaft zur Christusbruderschaft Selbitz weitergehen. Dennoch will Dorothea Greiner ihren Kirchenkreis verlassen, in dem sie ihren Dienst so gerne tat, um Raum für Neues zu schaffen: In Otterfing, einem Ort in ihrer früheren Gemeinde Holzkirchen im idyllischen Alpenvorland, ist der Ruhesitz des Paars entstanden. Susanne Borée