Editorial von Raimund Kirch zur „Liturgie“ und der Begeisterung der Fußballspiele
Am ersten Juli-Wochenende wissen wir mehr: Ob Deutschland bei der Europameisterschaft weitergekommen ist oder die Begeisterung sich in Grenzen hält. Ich selbst bin keiner, der Fähnchen schwenkt oder zur Public-Viewing-Gemeinde gehört. Aber natürlich freut es einen, wenn „unsere“ Mannschaft gewinnt. Bei wichtigen Spielen gehe ich auch gern durch unser Dorf. Es ist dann wie ausgestorben. Manchmal dringt Stöhnen aus den Häusern, wohl wenn die „anderen“ den Ball ergattert haben oder in Tornähe sind; oder der ganze befreite Jubel, wenn ein Ball im „richtigen“ Netz versenkt wurde.
Ich freue und wundere mich über die Begeisterung und sage mir, dass was dran sein muss bei der ganzen Fußballerei. Sehe ich doch von weitem, wie die Vereine organisiert sind; wie sie Nachwuchspflege betreiben und die Mitglieder bei der Stange halten.
Manchmal stelle ich auch Vergleiche her. Dann, wenn ich unsere Kirchengebäude sehe, mit zum Teil zwei oder gar drei Emporen, die eingebaut wurden, weil sie gebraucht wurden. Ich vergleiche sie dann gern mit den vollen Stadien und deren Liturgie, die sich dort abspielt: Der Einzug der Akteure mit Kindern an der Hand, die Aufstellung zur Nationalhymne, die Litanei der Namen, die alle kennen, die Gesänge, La-Ola-Welle, …
Wahrscheinlich waren Gottesdienste einst ebenfalls von solcher Begeisterung getragen. Man war gespannt auf das Verhalten der Zelebranten, kannte die Lieder (auswendig), weil man sie im Kreis der Familie, in der Jugendgruppe, im Konfi-Unterricht gelernt hatte (lernen musste!). Gottesdienste – einst waren sie Höhepunkte der Woche: auch weil man sich ausruhen konnte, Menschen mit gleicher Gesinnung traf, die Geistlichkeit vielleicht besser die Lebenswirklichkeit ihrer Gemeinde kannte.
Ein bisschen neidvoll sehe ich bei den Fußballbegeisterten, wie dort die Jugendarbeit funktioniert; mehr noch, dass sogar eine Art Elitenbildung stattfindet. Und ich muss mich wundern, dass Gotteshäuser so leer sind. Oft frage ich mich, wo der Spirit bleibt, die Begeisterung. Das Häuflein der Aufrechten? Zusammengeschmolzen. Obwohl es doch heißt, dass wir die Frohe Botschaft hätten …. Ich träume von einer La-Ola-Welle, wenn die Orgel braust und ein anfeuerndes Amen, wenn die Predigt spannend ist – wie bei einem Fußballspiel.