Erneute Katastrophe bei Kälte und Krieg

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Schutzsuchende in den Gemeinderäumen in Aleppo (ganz links stehend Pfarrer Haroutune Selimian). Foto: Armenisch-Evangelischen Bethelgemeinde in Aleppo
Schutzsuchende in den Gemeinderäumen in Aleppo (ganz links stehend Pfarrer Haroutune Selimian). Foto: Armenisch-Evangelischen Bethelgemeinde in Aleppo

Gustav-Adolf-Werk und Diakonie Katstrophenhilfe helfen Erdbebenopfern

Gut „120 Gebäude sind in Aleppo völlig zerstört. Viele Menschen trauen sich nicht mehr in ihre Häuser. Sie haben Angst vor Nachbeben, und dass ihre Häuser und Wohnungen nicht mehr sicher sind. So kommen immer mehr Menschen zu uns in die Bethel-Kirche. Wir müssen sie versorgen. Unsere Poliklinik bei der Kirche leistet derzeit immens viel, um sie medizinisch zu versorgen“, so berichtete Pfarrer Haroutune Selimian aus dem syrischen Aleppo gleich nach dem Erdbeben telefonisch. „Es ist schwierig, Hilfe zu bekommen – durch den Krieg, die Sanktionen, die wirtschaftliche Lage. Wir brauchen die Hilfe unserer Partner, damit wir helfen können.“ 

Zusammen mit dem Gustav-Adolf-Werk (GAW) versuchen die Gemeinden dort Hilfe nach dem verheerenden Erdbeben zu leisten. Selbst die Reformierte Kirche in Transkarpatien in der Ukraine bot als Partner des GAW an, ihre Kollekte dafür zur Verfügung zu stellen. Rund 500 Menschen, die in der Stadt Aleppo vor dem Erdbeben auf die Straße geflüchtet waren, fanden Unterkunft bei der Armenisch-Evangelischen Kirche und im Aleppo College, einer Schule der Evangelischen Kirche in Syrien und Libanon. 

„Die Menschen haben furchtbare Angst. Ihre Häuser sind zusammengebrochen, sie haben kein Zuhause mehr und wissen nicht wohin“, berichtet Pfarrer Selimian, der die ersten Nächte mit Schutzsuchenden in der Kirche verbrachte und Hilfe sowie Seelsorge leistetet. „Unsere Schulen sind beschädigt, Kirchen zeigen Risse“, so Selimian weiter. „Was wir nach dem Ende der Kämpfe in Aleppo in den letzten Jahren renoviert haben, ist alles wieder kaputt. Es ist schrecklich!“

Pfarrer Selimian ergänzte gegenüber dem GAW: „Die Menschen haben nach einem Jahrzehnt des Krieges versucht, ihre Häuser wieder aufzubauen, aber seit dem Beben sind die christlichen Viertel, in denen sie lebten, nicht mehr wiederzuerkennen. Sie überlegen sich jetzt, ob sie diesen Ort verlassen sollen, weil sie die Hoffnung verlieren.“ 

Joseph Kassab, Generalsekretär der Evangelischen Kirche in Syrien und im Libanon schreibt: „In Aleppo hat unser College seine Türen geöffnet für Menschen, die Zuflucht suchen. Das Schulgebäude ist ein sicherer Ort. Es sind inzwischen mehrere Hunderte Menschen dort. Die Kirche sorgt für Lebensmittel und Wärme. Dasselbe gilt für die Stadt Latakia und weitere Orte in Syrien, wo unsere Gemeinden Menschen aufnehmen. Für diese Menschen werden Matratzen und Decken benötigt sowie Dieselöl für Strom und Wärme. Es ist sehr kalt.“ In vielen betroffenen Regionen herrschen Temperaturen um oder unter dem Gefrierpunkt. Das Beben traf die Menschen völlig unvorbereitet.

Nothilfe in der Türkei

Noch Tage nach dem Erdbeben in der Türkei und in Nordsyrien mussten Tausende Tote aus den Trümmern geborgen werden. Es konnten aber auch noch vereinzelt Überlebende entdeckt werden. Die Türkei wird bei den Bergungsarbeiten aus Deutschland vom Technischen Hilfswerk unterstützt. Neben Ortungsgeräten kam deren medizinische Ausstattung zur Erstversorgung zum Einsatz. In Nordsyrien fehlt laut Helfern schweres Gerät.

„Die Erde hatte gebebt, als die meisten Menschen in ihren Häusern waren und schliefen“, ergänzt Michael Frischmuth, Programmleiter der Diakonie Katastrophenhilfe. Die- se steht mit Partnern in Syrien und in der Türkei in engem Kontakt, um Nothilfemaßnahmen schnell umzusetzen. Dafür hat das evangelische Hilfswerk in einem ersten Schritt 500.000 Euro bereitgestellt.  

Bereits wenige Stunden nach den Erdbeben begannen Partnerorganisationen der Diakonie Katastrophenhilfe in Syrien 3.000 Winterjacken, Schals und Mützen vor allem an Kinder zu verteilen. So schnell wie möglich erhielten Menschen in Sammelunterkünften tausend Matratzen und Decken. Heizgeräte und Heizmaterial für mindestens zwei Wochen sollen folgen. Die türkische Partnerorganisation Hayata Destek Dernigi (Support to Life – STL) der Katastrophenhilfe half mit zwei Teams im Erdbebengebiet auf der türkischen Seite den Menschen zu helfen. Tausende Gebäude sind in der Türkei eingestürzt und viele weitere unbewohnbar. 

Eine Cholera-Epidemie, die im August vergangenen Jahres in Syrien ausgebrochen war, gefährdet die Menschen auf der syrischen Seite zusätzlich. „Es ist wichtig, dass wir neben Nahrungsmitteln und warmer Kleidung auch Hygieneartikel und sauberes Trinkwasser verteilen, um eine Ausbreitung der Krankheit von Cholera zu verhindern“, fasst Dagmar Pruin als Leiterin des Hilfswerkes zusammen. 

Mindestens 23 Millionen Menschen sind von den Erdbeben betroffen. Bereits davor waren in der Region vier Millionen Menschen von humanitärer Hilfe abhängig. Dort leben viele Binnenvertriebene des syrischen Bürgerkriegs. Doch viele Dörfer gerade in Nordwestsyrien waren wegen beschädigter Straßen zunächst gar nicht erreichbar. 

Gegen weitere Gewalt

„Besonders wichtig ist jetzt, die Infrastruktur wiederherzustellen, genügend Lebensmittel zu besorgen, außerdem Gas zum Kochen und Heizen. Aber in Gebiete, die zum Beispiel von Islamisten kontrolliert werden, kommt man nicht so leicht hinein“, ergänzt Pfarrer Enno Haaks, Generalsekretär des GAW.

Neben vielen Hilfeleistungen machten sich leider auch Aggressionen und Plünderungen in den betroffenen Gebieten breit. Menschenrechtler kritisierten gleich am Tag nach dem Beben, dass die türkische Armee trotz der Katastrophe kurdisch kontrollierte Gebiete in Nordsyrien bombardiert habe. Sie habe das vom Beben betroffene Umland von Tal Rifaat angegriffen, sagte der Nahostexperte der Gesellschaft für bedrohte Völker, Kamal Sido.

Spendenkonto des GAW Bayern: VR-Bank Mittelfranken West, IBAN: DE65 7656 0060 0000 0245 54, BIC: GENODEF1ANS. Mehr unter https://www.gustav-adolf-werk.de/

Oder: Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin, Evangelische Bank, IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02, BIC: GENODEF1EK1, Stichwort: Erdbebenhilfe Türkei Syrien, Online unter: https://www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spenden/