Unscheinbare Kräfte der Schöpfung helfen

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Siglinde Beck (links) führte am Hesselberg in die Wirkungsweise sommerlicher Wildkräuter ein. Unscheinbar aber wirksam ist das Eisenkraut (Mitte), das wussten bereits die Römer. Noch unscheinbarer, aber ein seltener Schatz: die Orchidee namens Bienenragwurz am Wegesrand. Fotos: Borée
Siglinde Beck (links) führte am Hesselberg in die Wirkungsweise sommerlicher Wildkräuter ein. Unscheinbar aber wirksam ist das Eisenkraut (Mitte), das wussten bereits die Römer. Noch unscheinbarer, aber ein seltener Schatz: die Orchidee namens Bienenragwurz am Wegesrand. Fotos: Borée

Entdeckungswanderung auf dem Hesselberg zu den Geheimnissen der Sommerkräuter

Die Anekdote vom „Essig der vier Diebe“ zeigte eindrücklich, wie gesund ein selbst angesetzter Kräuteressig sein kann: Zur Pestzeit sollen Plünderer unter seinem Schutz die Häuser von Verstorbenen ausgeraubt haben – und das, ohne Angst vor Ansteckung gehabt zu haben. 

Siglinde Beck erzählte diese kleine Anekdote während ihrer Kräuterwanderungen auf dem Hesselberg. Die Kräuterpädagogin teilte dort ihre langjährigen Erfahrungen zu Heilkräften der Schöpfung zum Sommerbeginn. Ein knappes Dutzend Teilnehmerinnen und ein Mann waren gekommen. Viele von ihnen nicht zum ersten Mal. Denn diese Entdeckungen zur Heilkraft von Kräutern bietet die 52-Jährige mehrmals im Jahr am Evangelischen Bildungszentrum auf dem Hesselberg an. Vom April bis in den Herbst hinein gibt es viele Schätze aus Gottes wunderbarer Schöpfung zu entdecken.

Es ist keine Geheimwissenschaft nötig, um Heilkräuter zu entdecken. Solche Spaziergänge schulen die Augen auch für unscheinbare Schätze am Wegesrand, die ansonsten oft unbeachtet bleiben oder gar zertreten werden. Lediglich Offenheit gegenüber alten Erfahrungen, die so oft verschüttet sind, hilft dabei. 

Bereits 2006 ließ sich Siglinde Beck zur Kräuterpädagogin ausbilden. Danach reichte ihr der bisherige Brotberuf im Büro nicht mehr, sondern sie machte sich mit ihren neu erworbenen Kenntnissen selbstständig. Zu Hause ist sie auf dem Holunderhof in Lohe bei Oettingen, den sie mit ihrem Ehemann biologisch bewirtschaftet und wo sie unter anderem Galloway-Rinder züchten. Daneben führt sie einen Hofladen und bietet Kräuterwanderungen, aber auch Touren mit Eseln an.

Auch auf dem Hesselberg braucht sie nicht lange suchen, um die sommerlichen Heilkräuter zu entdecken. Wichtig ist ihr, dass alle die Naturschutzbestimmungen achten und nur „ein kleines Handsträußchen“ pflücken. Seltene Entdeckungen wie die Orchidee Bienenragwurz (oben rechts) bleiben natürlich ungestört. Die unscheinbare Pflanze zeigt an, dass die Natur nicht weit vom Tagungshaus entfernt noch intakt ist – und dies direkt am Wegesrand.

Schon auf der Wiese, die regelmäßig am Pfingstmontag als Versammlungsplatz für den Bayerischen Kirchentag dient, finden sich unverwechselbare Heilpflanzen: etwa Rotklee und Spitzwegerich. Die Kleeblüten verfeinern wie alle ihre Verwandten Salate, Suppen oder Gemüsepfannen. Aber gerade diese Sorte hat zusätzlich heilende Kräfte: Sie soll dem Knochenabbau vorbeugen. Daneben wirkt sie etwa wundheilend und blutreinigend, so erfahren es die Teilnehmerinnen.

Und die Blätter des Spitzwegerichs wirken frisch entzündungshemmend bei kleinen Wunden oder gegen den Juckreiz von Insektenstichen. Besonders schmackhaft sind sie zu Kartoffeln oder Käse. Getrocknet helfen die Blätter etwa als Husten- und Erkältungstee. 

Auch Schafgarbe und Odermennig findet sich schnell. In besonders üppigen Büscheln blüht gerade das Johanniskraut. Als Tee wirkt es stimmungsaufhellend, als Ölauszug äußerlich gegen Verbrennungen, Entzündungen oder bei Verspannungen. Doch Vorsicht: Es macht die Haut empfindlicher gegen Sonnenbrand und kann die Wirkung anderer Medikamente abschwächen. 

Viel unscheinbarer wächst wenige Schritte weiter das Eisenkraut, das die Römer mitbrachten. Auch die Ritter im Mittelalter sollen fast nie ohne ein Pflänzlein unterwegs gewesen sein: Es hilft gegen Wunden und Entzündungen – angeblich gerade dann, wenn Eisenwaffen sie verursachten. Innerlich dann gegen viele Entzündungen, Erkältungen, bei Verdauungsbeschwerden und bei Erschöpfung oder Schlaflosigkeit. Also fast ein Alleskönner!

Dieses Lob gilt aber auch für heimische Gewürzpflanzen: Quendel etwa schmeckt und wirkt wie Thymian, dessen heimische Wildform er ist. Der Tee aus Blättern und Blüten hilft gegen Husten und Bronchialerkrankungen, Verdauungsstörungen, Blähungen und Darmkrämpfe sowie Frauenleiden. Beim Gurgeln wirketen er gegen Heiserkeit, Halsschmerzen und Entzündungen in Mund und Rachen. Im Kräuterkissen lindert er Ohrenschmerzen und Schlafstörungen, so Siglinde Beck. Und all das in solch einer kleinen Pflanze vereint! 

Auch Dost ist die heimische Form des Oregano. Neben seinem aromatischen Geschmack sorgen seine Bitterstoffe für eine verdauungsfördernde, krampflösende und schmerzstillende Wirkung. Als Tee eingesetzt hilft er bei Husten, Magen- und Darmproblemen sowie Schlaflosigkeit.

Ach, und nicht zu vergessen Lavendel und Rosenblüten, die mehr können als „nur“ gut duften. 

Direkt daneben bieten Linden ihren Schatten an – und blühen ebenfalls gerade: Getrocknet helfen sie gegen Fieber und Husten. Daneben kennt Beck Rezepte für eine erfrischende Lindenblütenlimonade oder Beruhigungsbäder von diesem Baum. Die Teilnehmerinnen erhalten ohnehin vielfältige Rezeptideen – bis hin zu verschiedenen Varianten von Drinks und Kräuteraufstrichen. 

Was aber war das Geheimnis der „Vier Diebe“? Das interessierte damals auch die Richter brennend, als die Bösewichte endlich geschnappt waren. Angeblich sicherten sie ihnen dafür gar Straffreiheit zu: Und so erfuhren sie von einem Kräuteressig, angesetzt mit insgesamt je einem Zweig von Salbei, Thymian, Rosmarin und Lavendel. Zwei Wochen auf der sonnigen Fensterbank ziehen lassen, dann dunkel stellen. Vor ihren Raubzügen wollen die Plünderer sich damit eingerieben und dies getrunken haben. 

Sicher nutzten sie so eine Kombination der Wirkkräfte unterschiedlicher Kräuter. Ob das gegen die Pest ausreichte? Aber allein schon dadurch, dass sie den Blick öffnen für oft übersehene Schönheiten der Schöpfung, entfalten Kräuterwanderungen ihre Kraft.

Siglinde Beck teilt öfter ihr Wissen auf dem Hesselberg, demnächst etwa vom 9.–11. August bei einem Wochenende über „Sommerfrauenkräuter“ sowie am Samstag, 21. September, über „Wildfrüchte in den Hecken“. Mehr Infos und Anmeldung unter https://ebz-hesselberg.de oder Tel. 09854/100. Interessantes über sie selbst: https://www.holunderhof-lohe.de oder Tel. 09082/4717.