Die Muttersprache der Kirche lernen

728
Ulrike Otto und Andreas Herrmann zur Seelsorgeausbildung
Ulrike Otto von der Pastoralpsychologischen Weiterbildung in Kommunikation und Seelsorge (KSA) und Andreas Herrmann von Kurse für seelsorgliche Praxis und Gemeindearbeit (KSPG).Fotos: Privat

 

 

Seelsorgeausbildung in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

 

In der Serie „Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung“ stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

=> Zum letzten Teil

Seelsorge, so heißt es, ist die Muttersprache der Kirche. Aber warum muss man dann Seelsorge lernen? Müsste sie uns nicht in unsere christliche Wiege gelegt sein? Pfarrerin Ulrike Otto, 1. Sprecherin des Arbeitskreis KSA und Religionspädagoge Andreas Herrmann von der KSPG,  können diese Fragen im Gespräch mit dem Sonntagsblatt beantworten. Beide haben in der Bayerischen Landeskirche einen Auftrag für Seelsorgeausbildung. 

Was verbirgt sich hinter diesen Abkürzungen KSA und KSPG?

Ulrike Otto: KSA steht für Pastoralpsychologische Weiterbildung in Kommunikation und Seelsorge. Dieses Abkürzungs-Kauderwelsch macht schon deutlich, worum es in der Seelsorgeausbildung geht. Auch wenn wir die gleiche Sprache sprechen, verstehen wir uns nicht immer sofort. Zu lernen, sich besser zu verstehen, genau darum geht es uns in der Seelsorgeausbildung. Seelsorge wird nicht theoretisch aus Büchern gelernt, sondern in dem man ganz praktisch Seelsorgeerfahrungen macht. Die Kurse finden meist in Krankenhäusern statt, Seelsorgebesuche auf den Stationen gehören dazu. So kann man in kurzer Zeit sehr viel Seelsorgeerfahrung sammeln, die dann in der Gruppe eingehend reflektiert wird.

Andreas Herrmann: KSPG gibt es nur in Bayern und heisst: Kurse für seelsorgliche Praxis und Gemeindearbeit. Diese Kurse werden in jedem der 6 Kirchenkreise angeboten. Wir nennen diese Kurse auch Intensivkurse in Seelsorge, da die Teilnehmenden bereits Seelsorgeerfahrungen haben, von der Gemeindeseelsorge bis zur Gefängnisseelsorge. Die Kurse finden an den Diakonischen Beratungsstellen statt und werden von Menschen mit psychologisch-therapeutischem Hintergrund angeboten. So werden aktuelle psychologische Strömungen für die Seelsorge fruchtbar gemacht. 

Wenn Seelsorge Muttersprache der Kirche ist, warum braucht man dann dafür eine Ausbildung?

Andreas Herrmann:  Auch die Muttersprache muss man lernen. Dieses Erlernen geschieht in Beziehung mit anderen, im Ausprobieren und in der anschließenden Reflexion. Lernen ist wesentlich ein Kommunikationsprozess. Seelsorgende benötigen die Fähigkeit, Situationen, Kontexte und die anderen Menschen in den Blick zu bekommen und dabei sich selbst nicht zu verlieren. Da gibt es viel zu üben! Die Gruppe bietet dafür ein viel größeres Lernfeld. Eine heterogene Gruppe ist da sehr hilfreich. Daher ist es für die KSPG wichtig, Menschen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern, Berufsgruppen, auch Ehrenamtliche und Menschen unterschiedlichen Alters in einen spannenden und fruchtbaren Austausch zu bringen.

Ulrike Otto: Oft sprechen Menschen in der Seelsorge von Schuldgefühlen. Spontan will man da beruhigen: „Da müssen Sie sich doch nicht schuldig fühlen! Gott liebt uns, wie wir sind und vergibt uns.“ Dieser schnelle Trost verhindert, dass Menschen mehr von ihrer Belastung erzählen. Aber erst, wenn sie das dürfen, spüren sie, dass sie mit ihrer Schuld und ihren Schuldgefühlen gesehen und ausgehalten werden. Vielleicht ist es dann leichter, auch auf die Vergebung Gottes zu vertrauen. So zu reagieren, muss man als Seelsorger erst lernen. Hier hat die Kirche eine Verantwortung. Seelsorge im kirchlichen Auftrag, muss auch Hand und Fuß haben. Und das geht ohne Ausbildung nicht.

Wenn man also Seelsorge lernen will, dann meldet man sich einfach zu so einem Kurs an?

Ulrike Otto: Unsere Seelsorgekurse, werden meist von Hauptamtlichen  besucht. Immer wieder sind aber auch Menschen aus ganz anderen beruflichen Hintergründen oder erfahrene, ehrenamtliche Seelsorger dabei. Wichtig ist, dass die Teilnehmer bereit sind, die eigene Person mit ihren Gefühlen, ihrer Biografie und auch mit ihren Brüchen in den Kurs miteinzubringen. Denn das wichtigste Instrument, das wir in der Seelsorge haben sind wir selbst. Wenn wir mit uns selbst gut in Kontakt sind, dann können wir auch gut mit anderen in Kontakt sein.

Andreas Herrmann: Einfach anmelden geht in KSPG Kursen nicht. Man muss sich meist bewerben. Bei der Zusammenstellung der Ausbildungsgruppe legen wir besonderen Wert auf die gerade angesprochene Unterschiedlichkeit. Aus dem Motivationsschreiben und dem Lebenslauf lässt sich erkennen, welche Zielsetzung jemand mit diesem Kurs verfolgt. Wenn jemand Seelsorge für sich selbst braucht ist es schwieriger, als wenn jemand etwas für seine Seelsorgearbeit benötigt. Eine Bereitschaft und die Fähigkeit an sich zu lernen, sich einzubringen und mit sich selbst auseinanderzusetzen ist dabei sehr wichtig. Seelsorge lernen geht nur als  Arbeit an und mit Auseinandersetzung der eigenen Person.  

Wie läuft so ein Kurs?

Ulrike Otto: KSA-Kurse sind Sechswochenkurse, aufgeteilt in Kursblöcke. Neben der Fallarbeit, geht es viel um die eigene Person – um die Biographie, die eigene Spiritualität und Theologie. Ein Herzstück der Kurse ist die Selbsterfahrung im freien Gruppengespräch. Das ist der  ungewöhnlichste Teil des Kurses, in dem aber die größten AHA-Erlebnisse passieren. Gefühle – gerade auch die negativen – wollen wir lieber verstecken, sogar vor uns selbst. Aber in der Seelsorge brauchen wir sie unbedingt. Erst durch sie spüren und verstehen wir andere. 

Andreas Herrmann: Vieles deckt sich inhaltlich mit unseren KSPG- Kursen. Lediglich vom äusseren Rahmen gibt es größere Unterschiede an den Standorten. Die Unterschiede bestehen in der Schwerpunktsetzung bestimmter Themen.  evso

Kontakt:  Arbeitskreis KSA in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Pfarrerin Ulrike Otto, Klinikum-Nürnberg, Standort Nord, Tel.: 0911 3982086,

Mail: ulrike.otto@klinikum-nuernberg.de

https://www.ksa-bayern.de

Ansprechpartner finden Sie in jedem Kirchenkreis. Nähere Informationen unter: https://www.seelsorge-fortbildung-kspg.de