Lotsen im Chaos

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Mitarbeitende der Notfallseelsorge leisten Beistand in Notsituationen.Foto: Notfallseelsorge
Mitarbeitende der Notfallseelsorge leisten Beistand in Notsituationen.Foto: Notfallseelsorge

 

 

Die Mitarbeitenden der Notfallseelsorge leisten Beistand bei Todesfällen und in Katastrophen

 

In der Serie „Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung“ stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

=> Zum letzten Teil

Sie kommen und leisten Beistand: Den Angehörigen des Toten, aber auch den Einsatzkräften, die die Todesnachricht der Familie überbringen müssen.
In Bayern wird die kirchliche Notfallseelsorge in ökumenischer  Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen aus den Kirchengemeinden flächendeckend geleistet.

Hingehen, da sein, mit aushalten, reden und die ersten Schritte planen –, so könnte man umschreiben, was die haupt -und ehrenamtlichen NotfallseelsorgerInnen machen.

Frau M. wacht am frühen Morgen durch ein Geräusch auf. Sie steht auf und findet ihren Mann vor der Badezimmertür liegen. Er ist nicht ansprechbar. Sie ruft den Notarzt. Was dann geschieht, kann Frau M. später nicht mehr genau schildern. Später erinnert sie sich: „Plötzlich waren viele Menschen in der Wohnung und versuchten, meinen Mann wieder in das Leben zurückzuholen. Vergeblich. Der Notarzt brach die Reanimation ab und sagte, dass er nichts mehr tun kann“. Die Rettungskräfte alarmierten die Notfallseelsorge. „Das war der erste Mensch, der Zeit mitbrachte, für mich da war und den Schrecken mit mir aushielt“, erzählt Frau M später.Der Notfallseelsorger, der zu Frau M. kommt, hilft nach einer Zeit des Aushaltens, sich gedanklich zu sortieren. Auch das Abschiednehmen von ihrem toten Ehemann begleitet de Seelsorger. Er ermutigt, gibt Kraft, und unterstützt Frau M. diskret, in diesem so wichtigen letzten Moment des Abschiedes. Zuletzt stellt der Seelsorger sicher, dass Frau M. die nächsten Tage nicht gänzlich allein sein muss und sucht mir ihr eine geeignete Person, die sie kontaktiert.

Wenn jemand in früheren Zeiten starb, hielten die Angehörigen die Uhren im Haus an. Das war ein äußeres Zeichen dafür, dass die Lebenszeit eines Menschen zu Ende war. Ebenso blieb die Zeit für Angehörige stehen. Nichts war wie gerade eben noch. In einem Augenblick hatte sich das Leben verändert. Aber es gab die Riten und Bräuche, die beim Abschied halfen. Die Benachrichtigung von Angehörigen, der Gang zum Bestatter und zum Pfarramt, eine Aussegnung, die Überführung, die Beerdigung, der Leichenschmaus.

Wenn der Tod hereinbricht

„Heute bricht der Tod oft mit einer blau blinkenden und hektischen Katastrophe über Menschen herein“, erzählt der Peitinger Pfarrer Dirk Wollenweber, Beauftragter für Notfallseelsorge in Südbayern. „Für die Angehörigen bleibt die Zeit stehen. Oft schildern Angehörige, dass sie Rettungsdienst- und Feuerwehreinsätze wie durch einen Film wahrgenommen haben. Völlig orientierungslos in Zeit und Raum müssen sie mit anschauen, wie um das Leben von ihren lieben Menschen gekämpft wird.“ In solchen Situationen wird oft die Notfallseelsorge gerufen. Um Menschen in der ersten Zeit zu helfen, mit diesem Schrecken umzugehen.

Die Not kommt ins Haus

Die Notfallseelsorge wird deshalb in der Regel von Einsatzkräften der Rettungsorganisationen alarmiert und kümmert sich um Menschen, die in eine akute Krise geraten sind. „Zu über 90 Prozent sind diese Einsätze im häuslichen Bereich“, weiß Wollenweber. Zum Beispiel wenn ein geliebter Mensch ge-storben ist oder sich das Leben genommen hat. Aber auch zu einem Verkehrsunfall, einem Hausbrand oder einer Umweltkatastrophe wird die Notfallseelsorge gerufen, wenn sie gebraucht wird.

Die Einsätze dauern in der Regel zwischen zwei bis vier Stunden. Auf Wunsch vermittelt die Notfallseelsorge weitere Kontakte zu Hilfsdiensten, Selbsthilfegruppen und Gemeinden.

Alle Hilfsorganisationen und die beiden großen Kirchen haben sich bundesweit auf einen gemeinsamen Ausbildungsstandard verständigt, der für diesen Dienst notwendig ist. Die Notfallseelsorge ist rund um die Uhr zu erreichen.

Die Notfallseelsorge wird in ökumenischer Zusammenarbeit von Ehren- und Hauptamtlichen geleistet. „Wir Notfallseelsorgende sind keine Supermänner und -frauen. Wir sind Menschen, die sich zutrauen, Lotsen im Chaos zu sein, mit auszuhalten, was es auszuhalten gilt und dem Unaussprechlichen Worte zu geben, erklärt eine Notfallseelsorgerin. „Für diese Arbeit sind wir umfassend geschult und werden professionell begleitet.“

„Notfallseelsorge ist für Menschen in Not da. Egal welchen Glauben und Weltanschauung die Menschen haben und wo immer sie
herkommen. Oft ist ein Notfallseelsorgeeinsatz für Menschen ein erster Berührungspunkt mit der Kirche, die ihnen in einer schweren Lage beisteht“, fasst der Beauftragte für Notfallseelsorge diese wichtige Arbeit zusammen.

Kontakt: https://www.notfallseelsorge-bayern.de

Weiterführende Informationen: 

https://handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php