Editorial: Wie sitzen wir in einem Boot?

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Susanne Borée Editorial in der Frühlingshoffnung

„Wir sitzen zusammen in einem Boot.“ Das erfahren einige Familien durch die Pandemie. Auch wenn ihre Beziehungen schon zuvor schwierig waren, lernten sie jetzt neue Formen des Zusammenlebens zu finden.

Miteinander in einem Boot sitzen wir Menschen auch mit den anderen Geschöpfen. Sind wir Menschen den Tieren wirklich überlegen? Das fragte bereits Michel de Montaigne (1533–1592) kritisch nach. Natürlich kannte er ebenfalls die göttliche „Ermächtigungsgrundlage“ (1. Mose 1, 28), nach der sich die Menschen die Welt untertan machen sollten. Das kann auch Verantwortung für die Natur begründen. 

Die aktuelle Ausstellung „Tiere in der Rechtsgeschichte“ des Rothenburger Kriminalmuseums (Seite 6) zeigt ebenfalls spannende Impulse, wie Menschen mit Tieren durch direkte Verhandlungen zum Ausgleich zu kommen versuchten.  Auch Haustiere, die Menschen Schaden zugefügt hatten, konnte man nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren belangen.

Gleichzeitig dachten seit dem griechischen Philosophen Aristoteles die Gelehrten darüber nach, was Mensch und Tier unterscheidet: Allein der Mensch besitze nicht nur die Sprache, sondern könne auch zwischen Recht und Unrecht unterscheiden. 

Schon die Thora hatte auch die Haus- und Stalltiere in die Sabbatruhe mit eingeschlossen. Aber erst im Pietismus entwickelte sich eine christlich begründete Verantwortung für Tiere. Besondere Bedeutung hatten da etwa Gedanken von Philipp Jacob Spener (1635–1705): Aus Nächstenliebe forderte er, dass niemand ein Tier mutwillig töten oder misshandeln durfte. 

Noch deutlicher äußerte sich der württembergische, pietistische Pfarrer Christian Adam Dann hundert Jahre später: Er setzte sich für gequälte Tiere ein, da Gott die Geschöpfe ebenso liebte wie Menschen. Ein Tierquäler hingegen könne Gott und seine Mitmenschen nicht lieben. 

Es ging nicht mehr um fein geschliffene rationale Begründungen. Nein. Dies bereitete die Idee der „Ehrfurcht vor dem Leben“ vor, die Albert Schweitzer bekannt machen sollte. Das alles ist längst nicht mehr abstrakt oder elitäres Denken. Im Klimaschutz ist es überlebensnotwendig. Nicht gegen die Natur, nur zusammen mit ihr lässt sich überleben. Sind wir bereit dazu oder sind wir Menschen dieser Schöpfung Gottes unterlegen?