Goldener Sonnenschein vor Herbststürmen

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Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Susanne Borée

Ein letztes Mal am und im See. Das Wasser ist schon reichlich frisch. Gerade so eben ist es noch möglich, eine kurze Runde zu schwimmen – einzutauchen in die Spiegelbilder der leuchtend goldenen Blätter. Ein großartiges Finale bietet dieser Spätsommer nach wochenlangen Hitzewellen und ebenso intensiven Sturmtiefs. 

Dann aber schnell hinein in die warmen Sachen. Die Jacke wird bis oben hin zugeknöpft. Es war doch schon allzu kalt inmitten des goldenen Widerscheins der Herbstkulisse! Und allzu schnell wachsen die Schatten gegen die Wärme. Schon früh heißt es aufzubrechen, bevor die Dämmerung über den See sinkt. Noch einen Abschiedsblick, denn in diesem Jahr werde ich meinen Lieblingssee nicht mehr wiedersehen.

Mittags brachte sich in den vergangenen Wochen immer noch der Sommer mit aller seiner Wärme in Erinnerung. Doch morgens und abends waren bereits Handschuhe notwendig. Nicht nur sie, auch die tiefstehende Sonne und die Farbe des Laubes weiß: Es ist vorbei. 

Hätten wir uns noch vor wenigen Wochen ein wenig Abkühlung sehnlichst erwünscht, so schwingt nun schon wieder Wehmut mit. 

Ist es die Ruhe vor den Herbststürmen? Sind sie nicht schon bedrohlich im Anmarsch? Meteorologen warnen vor einem unruhigen Herbst. Der Atlantik sei dermaßen warm, dass er ein großartiges Potential, für Unwetter bietet. Sie sollen dann ostwärts ziehen – auch zu uns. Wo sie genau niedergehen, was die kommenden Wochen bringen, das kann niemand vorhersagen.

Sie erscheinen nicht nur dort bedrohlich, wo sie mit aller ihrer Gewalt niedergehen. Denn ihre zerstörerische Kraft ist uns allzu nahe gerückt. Kann es auch uns treffen? Manche Menschen starren da bereits auf die Wetter-App wie das Kaninchen auf die Schlange: Braut sich direkt über mir eine Gewitterzelle zusammen? Gerade bei instabilen Wetterlagen ändert sich das ständig – fast mit Windgeschwindigkeit. Wozu noch Vorhersagen, die dann ständig überholt sind?

Lieber ist auch mir der goldene Widerschein der Wärme im Herbstlaub. Lohnt es sich, die Augen zu verschließen vor dem, was sich direkt am Horizont zusammenbraut? 

Gut, dass wir nicht wissen, was kommt! Oder schon da ist, wenn Sie diese Zeilen lesen! Noch einmal durchleben alle meine Körperzellen die goldene Kühle meines Sees – sie tanken Kraft. Die Erinnerung daran stärkt.