Rückenwind für gutes Zusammenleben

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Organisatoren und Referierende beim Symposium zu den Simultankirchen vor dem Sulzbacher Rathaus, ganz links Hans-Peter Pauckstadt-Künkler. Foto: Borée
Organisatoren und Referierende beim Symposium zu den Simultankirchen vor dem Sulzbacher Rathaus, ganz links Hans-Peter Pauckstadt-Künkler. Foto: Borée

Ökumenische Tagung zum zehnjährigen Bestehen des Fördervereins Simultankirchen

Sulzbach-Rosenberg. Eine Kirche mit mehreren Konfessionen nutzen – bietet diese Idee Weichenstellungen für die Zukunft? Ein Symposium in Sulzbach-Rosenberg begab sich auf Spurensuche und übertrug historische Ideen auf die Zukunft. Denn schon im Zeitalter der Konfessionskriege rauften sich Katholiken und Protestanten so zusammen, dass sie „simultan“ die Gotteshäuser nutzen konnten. Seit zehn Jahren kümmert sich der Förderverein Simultankirchen in der Oberpfalz e.V. um dies Erbe. Wie bereits dargestellt, entwickelte er etwa Radtouren zu ihnen.

Die Tagung gab es nun zu seinem ersten runden Jubiläum als Geburtstagsgeschenk. Organisiert hatten sie Hans-Peter Pauckstadt-Künkler und Susanne Götte vom Förderverein. Weitere Partner und die Stadt Sulzbach-Rosenberg waren mit im Boot.

Es war immer konfliktträchtig, wenn beide Konfessionen eine Kirche nutzten: Wer durfte wann Gottesdienste feiern? Wie betraten die jeweiligen Gläubigen den Gottesdienstraum, ohne sich zu stören oder möglichst gar nicht zu begegnen? Wer hatte die Schlüsselgewalt? Wer verwaltete die Pfründe, die zu einer Kirche gehörten? Wer war für Renovierungen zuständig oder konnte sogar daraus Nutzen ziehen? 

Um Dauerzwist zu vermeiden, waren genau ausgehandelte Verträge notwendig. Oft mussten sie alle paar Jahre wieder erneuert werden. Dennoch haben die Beispiele ein großes Potential als „Experimentierfelder der Koexistenz zwischen Christen unterschiedlicher Konfessionen“, meinen die Veranstalter. Bei den sinkenden Mitgliederzahlen in den Konfessionen und dem Rückbau der Kirchen könnten sie eine wichtige Zukunftsperspektive für die Weiterentwicklung der Kirchen bieten, so der evangelische Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler. 

Unter seiner Schirmherrschaft, die er zusammen mit seinem katholischen Amtskollegen Rudolf Vorderholzer ausübte, gaben 14 Referierende Impulse dazu. Es sei wichtig, „die ökumenischen Erfahrungen jener Zeit aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und zu würdigen“, fuhr Stiegler fort. Ein ökumenischer Gottesdienst mit beiden Bischöfen in der Sulzbacher St. Marien-Kirche beschloss die Tagung.

Wie gelang Kooperation?

Gemeinschaftlich genutzte Kirchen entstanden nach der Reformation dort, wo es unterschiedliche Rechte von Grundherren gab, die plötzlich unterschiedlicher Konfessionen angehörten. Klöster blieben teils in protestantischen Städten bestehen. Oder beide Konfessionen lebten in manchen Reichsstädten zusammen.

Besonders die mittlere und nördliche Oberpfalz war ab 1652 ein europaweit „einmaliges Trainingslager interkonfessionellen Zusammenlebens“. Begründet hatte dies Pfalzgraf Christian August. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs setzte er in Sulzbach auf Toleranz, anstatt wie üblich die Konfession seiner Untertanen zu bestimmen. Er hoffte so auf dauerhaften Frieden.

Professor Klaus Unterburger aus München gab zuvor einen Überblick über den Umgang bei Konflikten. Der Bau von schalldichten Mauern zwischen Kirchenteilen oder unterschiedlichen Eingängen trug zur Entschärfung bei. Oder die Protestanten in Regensburg erhielten mit der Dreieinigkeitskirche ein eigenes Gotteshaus – die katholische Seite zahlte sie praktisch dabei aus. 

So ließen sich Konflikte „einhegen“. Bernhard Rüth aus Rottweil, lobte das Zusammenleben in schwäbischen Simultankirchen. Es führte zur „praktischen Toleranz, bevor sie zur Gesinnung werden konnte“. 

Dieses Potential sei aus der politischen Vernunft heraus entstanden, nicht aufgrund von theologischer Einsicht, wie Schwester Nicole Grochowina von der Christusbruderschaft Selbitz ausführte. Sie lehrt Kirchengeschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg. 

Jedoch seien meist „nur Konflikte überliefert“, warnte Klaus Unterburger. Sie schlugen sich in Gerichtsprotokollen und Urteilen nieder, während friedliches Zusammenleben nicht aktenkundig wurde. 

Gerade in der Aufklärungszeit wehte der Wind den Simultankirchen entgegen: Persönliche Überzeugungen gewannen größere Bedeutung. Das Selbstbestimmungsrecht von Gemeinden, aber auch der Bevölkerungszuwachs im 19. Jahrhundert, der mehr Kirchen nötig machte, führte zur zunehmenden Auflösung der Simultankirchen.

In der Oberpfalz gab es ursprünglich 49 solcher Gotteshäuser – an neun Orten existieren sie bis heute. Zehn weitere Kirchen gibt es in der Bayerischen Landeskirche, gerade in ehemaligen Reichsstädten von Augsburg bis Dinkelsbühl. Damit existieren heute in Bayern fast ein Drittel der deutschlandweit 64 Simultankirchen, wie Eva-Maria Seng, Professorin für Materielles und Immaterielles Kulturerbe aus Paderborn, zeigte. In der Pfalz kommen 14 Simultankirchen hinzu. Weitere Referierende zeigten direkte Beispiele des Zusammenlebens vor Ort. Es gab auch eine Exkursion zu drei Simultankirchen und ein reiches Kulturprogramm.

Schließlich spannte die Tagung den Bogen zur aktuellen Lage. Hochschulseelsorger Dr. Markus Lommer gab als gebürtiger Sulzbach-Rosenberger Impulse zur Ökumene vor Ort in Geschichte und Gegenwart. 

Neubeginn der Ökumene

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es etwa ab 1969 in Sulzbach ökumenische Gottesdienste, seit 1973 eine überkonfessionelle Sozialstation. Immer mehr Gottesdienste gerade an historisch wichtigen Wegmarken, finden ökumenisch statt. Auf seine Frage, ob die Sulzbacher St. Marien-Kirche, die „Mutterkirche des Simultaneums“, in 25 Jahren wieder „simultan“ sein wird, erwiderte der evangelische Stadtpfarrer Dr. Roland Kurz: „Wenn dann nicht bereits die Spitalkirche reicht …“, die immer noch simultan genutzt wird. 

Die Streitigkeiten der Vergangenheit sind einem neuen Miteinander gegenüber einer säkularen Welt gewichen – gerade bei den sinkenden Mitgliederzahlen beider Konfessionen und steigender Unterhaltskosten für die zahlreichen Gotteshäuser. Denn durch die Zusammenarbeit, seien deutlich mehr Angebote möglich, als wenn jede Konfession für sich allein tätig ist. Da geht es nicht mehr darum, sich möglichst wenig zu begegnen – sondern im Gegenteil fruchtbar zusammenzuwirken. Eva-Maria Seng betonte den Mehrwert dieser Kirchen. Sie regte an, sie „in die Liste des europäischen Kulturerbes eintragen zu lassen“, da sie „historisch gewachsene Strukturen der Verständigung und des Ausgleichs“ seien. Sie fügte hinzu: „Dies sei „eine wichtige Weichenstellung für die Kirche der Zukunft in unserem Land.“