Erinnerungen pflegen

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Editorial Inge Wollschläger im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern von Inge Wollschläger

„Was ist eine schöne Erinnerungen, die ihr geteilt habt?“ Dies Frage las ich in einem Zeitungsartikel. Es ging um eine Art Vermächtnis, das jeder von uns mit seiner Familie oder seinen Freundinnen und Freunden haben kann und hat. 

Diese Frage brachte mich zum Nachdenken. Ruckzuck schwelgte ich in Erinnerungen, in Gedankenfetzen und roch plötzlich Orte, an denen man gemeinsam war. Alles ploppte hoch. Mir trieb das ein Lächeln ins Gesicht. Denn weil die Frage gezielt die schönen Erinnerungen abfragt, kommen die nicht ganz so gelungene Augenblicke erst gar nicht in das Gedächtnis. 

Mit jedem Menschen, der einem näher steht, gibt es solche Geschichten. Manchmal ist es nur ein kleiner Augenblick oder vielleicht auch ein Zeitraum, in dem man unterstützt wurde. Mit den Erinnerungen erscheinen einem die Jahreszeiten vor Augen oder das Wetter. Vielleicht auch ein gemeinsames Essen oder eine Berührung.

An meinem Sohn habe ich diese Frage weitergegeben. Seitdem reißt unser Gespräch nicht ab, weil immer noch etwas hinzukommt, an das man sich erinnert. Wir fanden mein altes, aussortiertes Handy und  schlossen es an den Strom an, weil wir wissen wollten, was dort gespeichert war. Da fanden wir einen Schatz von alten Fotos und Erinnerungen. Aktuell befinden wir uns im Jahr 2017 und es ist zum einen erstaunlich, was ich alles so geknipst habe. Zum anderen haben meine Kinder sich damals öfter das Handy „ausgeliehen“, um selbst kleine Videos von sich und ihren Spielsachen zu machen – oder in einer ganzen
Videoreihe eine Art virtuelles Tagebuch zu erstellen, als sie einmal krank waren. Nun erleben wir es wieder und erinnern uns gemeinsam an diese Zeit. 

Ich finde das so schön. Noch bin ich quietschfidel und erfreue mich bester Gesundheit – ebenso wie mein Sohn. Die Vorstellung, dass wir jetzt schon über unser gemeinsames „Vermächtnis“ und unserer Zeit reden, macht mich sehr froh. Ich erlebe es in meiner Arbeit als Seniorenreferentin oft genug, dass vielfach keine Zeit mehr zum Austausch geblieben ist und viel Unausgesprochenes bleibt. Dann bleibt oft ein Gefühl des Bedauerns übrig.

Vielleicht möchten sie ja auch anfangen gemeinsame, schöne Erinnerungen mit ihren Lieben zu teilen. Aus Erfahrung kann ich Ihnen sagen: Es ist fabelhaft.