Kirchentag in kurzen Worten – und schiefem Licht

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Editorial von Martin Ben-Baier, Chefredakteur des Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern

Editorial von Chefredakteur Martin Bek-Baier zum Evangelischen Kirchentag

Mit mehr als 2.000 Veranstaltungen und insgesamt 200.000 Besuchern war der Evangelische Kirchentag in Nürnberg auf alle Fälle erlebenswert. Ich habe ihn jedenfalls genossen. Was es da nicht alles gegeben hat; … und gegeben haben soll. Ich habe natürlich nur einen Teil erlebt, aber was da in manchen Zeitungen stand, was angeblich alles geschehen sein soll, wundert mich doch sehr.

Unter den kuriosen Meldungen erscheint die, dass Ministerpräsident Markus Söder sich mit seiner Bibelarbeit für „das Bischofsamt beworben“ habe, oder er den Wahlkampf damit eröffnet hätte, noch relativ harmlos. Bei aller berechtigten Kritik an Söders einen oder anderen politischen Haltung und Entscheidung muss ich anerkennen: Ich habe eine sehr persönliche Andacht mit intimen Bekenntnissen zu seinem Glauben und die Notwendigkeit der Versöhnung gehört.

Die Meldung, dass vor dem Nürnberger Hauptbahnhof Klimakleber die Straßen blockierten platzte mitten in die Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltaktivistin Carla Hinrichs. In manchen Medien wurde berichtet, dass die Kleber von Kirchentagsbesuchern unterstützt wurden, oder dass „Gläubige des Kirchentags“ beteiligt gewesen seien. Da musste ich schon staunen. Es soll eine klei-
ne Gruppe von etwa zehn Personen mit Kirchentagsschals dort gesungen haben, sagte mir später ein Augenzeuge. Ich war im Saal, als Habeck diese Aktion scharf verurteilte und habe gehört, dass eine Mehrheit der vollbesetzten Halle ihm dazu lauten Applaus spendeten. 

Noch eindeutiger fiel der Applaus aus, als im Podium „Welchen Frieden wollen wir?“ Staatsekretär  Sven Giegold mit dem Friedensbeauftragten der EKD, Friedrich Kramer, diskutierte, ob es ethisch zu rechtfertigen ist, der Ukraine Waffen zu liefern, oder nicht. Ich habe eindeutig donnernden Applaus für die Aussage, „Die Angegriffenen entscheiden, ob gekämpft wird oder nicht“ gehört. Gelesen habe ich in manchen Medien leider auch,  „der“ Kirchentag wolle die Einstellung der Waffenlieferungen. 

Und zu guter Letzt: Es sei ein „rein politischer“ Kirchentag und von „Spiritualität keine Spur“ gewesen. Wo war der Kollege denn? Jedenfalls nicht bei den vielen Gottesdiensten, Andachten, Bibelarbeiten, Feierabendmahlen oder stimmungsvollen Segensfeiern, die sehr viel Raum für Spiritualität und geistlichem Kraftschöpfen boten.