Noch eine kleine Weile …

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über das Warten auf Jesu Wiederkehr

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile?

aus Johannes 16

„Nur noch ein bisschen.“ Das hören wir von unserer Tochter im Moment sehr häufig. Nur noch ein bisschen spielen, Schokolade, wach bleiben oder schaukeln. Wir wissen natürlich ganz genau, dass „ein bisschen“ eigentlich so lange wie möglich bedeutet. Aber sie macht es uns so leichter Ja zu sagen.  

„Noch eine kleine Weile“, so formuliert es Jesus. Und will es seinen Jüngerinnen und Jüngern leichter machen Abschied zu nehmen und die Situation anzunehmen.  

Ihr Herz soll sich freuen, das verspricht er ihnen auch. Doch Freude lässt sich nicht einfach verordnen. Den WegbegleiterInnen Jesu sind Traurigkeit, Angst und Ärger bestimmt gerade viel näher, als Freude. Alles wird anders werden. Sie haben alle Hoffnung in Jesus gesetzt.

Noch eine kleine Weile. Und dann ist alles vorbei.Ihr werdet euch freuen, wie eine Mutter, die nach der Geburt vor lauter Freude alle Angst vergisst. Schön wäre das. Ein Leben mit Kindern bietet einem jeden Tag die volle Gefühlspalette im Wechsel. Mit der Geburt sind für uns als Eltern viele neue Ängste und Sorgen entstanden. Freude pur. Nicht nur.  Noch eine kleine Weile. 

 Alle Gefühle haben ihre Berechtigung und sind für unser Überleben notwendig. Und trotzdem betont Jesus: „Eure Freude soll niemand von euch nehmen.“  Für mich heißt das, Gott hat mich als Mensch mit all meinen Gefühlen geschaffen. Bei ihm sind sie gut aufgehoben, er hat sie selbst erfahren: Verlassenheit, Scham, Angst. 

Noch eine kleine Weile. Und dennoch mein Leben, mein Glaube dürfen voller Freude sein. „Eure Freude soll niemand von euch nehmen.“  

Freude über die Auferstehung, jeden Neubeginn, jedes neue Leben, das Wiedererwachen der Natur im Frühling, über Neuanfänge, über jeden neuen Tag. Das Leben bleibt Veränderung. Sorgen und Ängste, die mir heute noch riesig erscheinen, sind morgen schon etwas kleiner.  

Das Leben mit Gott und in der Kirche bleibt Veränderung. Reformprozesse, Kürzungen, Austritte – noch eine kleine Weile.  

„Eure Freude soll niemand von euch nehmen.“ Jubilate, das ist es, wozu Jesus uns seit Ostern ermutigt. Und diese Freude dürfen wir zeigen und leben und sie wird die Kirche, unser Umfeld und uns verändern.  

„Nur noch ein bisschen spielen.“ Wenn wir das bejahen, ist das schönste daran übrigens die Freude. Das Strahlen über das ganze Gesicht, der ganze kleine Körper, der sich voller Energie bewegt und zeigt: Mein Herz freut sich. Jubilate.  

Pfarrerin Claudia Buchner, Siegsdorf

Lied 644: Meine Zeit steht in deinen Händen