Mögliche Wege im Garten Gethsemane

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Anstatt einer Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern: Gedanken zum Geschehen im Garten Gethsemane

Meine Nachbarn sind mir lieb und teuer. Die würde ich nie verraten. Hermine, Hubsi und Ulrike. Wir lesen „die Verhaftung Jesu“. Sie antworten für Personen, die im Predigttext vorkommen.

 „Im Anfang war die Angst, und die Angst war bei mir, und ich war in ihr.“ Vielleicht sind es solche Worte, die Jesus gerade zu seinen Leuten spricht. Es scheint die Angst zu sein, ob denn das, was Gott durch ihn getan hatte und noch kommen sollte, gewaltsam zunichte gemacht wird. Sie halten sich im Garten Gethsemane auf. Jetzt kommt Judas. Er führt eine Gruppe Oberpriester und Pharisäer an. Soldaten begleiten sie. Judas bekam Geld für den Verrat. (Ausschnitte aus Lukas 22):

Judas kam auf Jesus zu, um ihn zu küssen. Aber Jesus sagte zu ihm: „Judas, willst du den Menschensohn wirklich mit einem Kuss verraten?“ 

Hubsi: „Ich war begeistert von Dir. Der Kuss soll Dir zeigen, wie schmerzlich die Trennung ist.“

Ulrike: „Ich küsse Dich, weil ich immer noch mit Dir verbunden bin. Das ist wie bei einer Scheidung. Wenn man sich nach der Trennung noch ein Busserl geben kann, war’s kein Rosenkrieg.“

Jesus, Du hast mal gesagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“

Ulrike: „Ihr wollt mich verteidigen, aber das mit dem Schwert habt ihr falsch verstanden. Ich habe doch von der Feindesliebe gepredigt.“

Hubsi: „In der Theorie hören sich meine Worte gut an. Aber in der Praxis schaut’s anders aus. Ihr habt Angst um euer Leben und um eure Familien.“ 

Hermine: „Mit dem Schwert wollte ich euch sagen, dass ihr das Gute vom Bösen trennen sollt, aber nicht mit Gewalt aufeinander losgehen.“ 

Und einer von ihnen hieb einem der Männer, die dem Hohepriester unterstanden, das rechte Ohr ab. Warum hast Du das gemacht?

Hubsi: „Er hat Glück gehabt, dass es nur das Ohr war. Ich hatte noch nie eine Waffe in der Hand.“

Ulrike: „Ich wollte ihm ganz bewusst das Ohr abschlagen, damit er nicht alles hört, was hier über Jesus gesprochen wird. Ich hasse Fake-News. Jetzt muss er genauer hinhören.“

Hermine: „Ich war plötzlich mutig. Die Soldaten waren überrascht, dass wir uns wehren. Aber wir sind überzeugt von Jesus.“ 

Aber Jesus sagte: „Hört auf damit!“ Er berührte das Ohr und heilte den Mann. Muss ein seltsames Gefühl sein, wenn Jesus dich heilt …

Hubsi: „Jesus war das Opfer und heilt mich als Täter. Das ist heilig! Übrigens bin ich nach der Heilung nach Hause gegangen. Jesus ist unschuldig.“

Ulrike: „Ich wollte ihm was Böses, er tut mir was Gutes. Ein besondere Tat. Ich habe meine Waffen weggelegt.“

Hermine: „Er hat mir nach der Heilung ins Ohr geflüstert: Ich helfe Dir, ich liebe dich, ich heile dich. Unerhörte Worte.“

Dann wandte er sich an die Leute, die ihn festnehmen wollten:  „Mit Schwertern und Knüppeln seid ihr hier angerückt! Bin ich denn ein Verbrecher?“

Hubsi: „Warum bin ich eigentlich hier? Ich habe nur einen Auftrag ausgeführt. Ich bin ein Mitläufer.“

Ulrike: „Irgendwas stimmt mit diesem Jesus nicht. Er ist nicht normal. Er passt nicht in unsere Norm. Wir hören auf die Obrigkeit. Die sagen uns schon, was richtig oder falsch ist. Dieser Jesus muss weg. Der ist mächtiger als die Mächtigen.“

Hermine: „Ich habe von diesem Jesus hier nur Gutes gesehen. Ich muss meine Meinung ändern.“

Am Ende die Frage: Was nehmt ihr mit?

Hubsi: Man übernimmt viel zu schnell die Meinung anderer, ohne zu überlegen, ob das der richtige Weg ist.

Ulrike: Das Bild vom „geheilten Ohr“ nehme ich mit. Ich kann verbohrt sein in eine Meinung. Aber wenn etwas Entscheidendes passiert, dann möchte ich genau hinhören.

Hermine: Mir tut Judas leid. Am Ende spielt er keine Rolle mehr. Weder für die, die Jesus festnehmen wollen, noch für die Begleiter Jesu. Und wie steht Jesus zu Judas? Sich von allen allein gelassen zu fühlen, muss schrecklich sein. 

Im Garten Gethsemane zwei Wege boten sich mir dar. Und ich nahm den, der weniger betreten war. Das veränderte mein Leben. Am Ende steht die Zuversicht und die Zuversicht ist bei mir, und ich bin in ihr. Danke Gott! Amen.

Pfarrer Thomas Klenner, Landshut