Trotzdem im Austausch bleiben

615

Editorial von Chefredakteur Martin Bek-Baier zur Landessynode und zum Schrecken in der Ukraine

Voller Freude und Sorge schaut meine Frau immer wieder auf den kleinen Bildschirm ihres Handys. Ihre Sammlerfreundin Natalia und deren kleine Tochter Aurora aus Charkiw sind darauf zu sehen. Mal sitzen sie zusammengekauert in einem Keller, in Angst vor russischem Beschuss, einmal sieht man sie lächelnd in einer kärglich eingerichteten Wohnung, scheinbar in Sicherheit. Vor einem Jahr hatten sie und meine Frau sich im Internet kennengelernt und Puppen getauscht. Stolz erzählte Natalia damals, dass sie Mutter geworden ist. Da lebte sie noch ein ganz normales Leben. Alle paar Tage kommt jetzt eine Nachricht. Das heißt jedes Mal sie leben noch!

Doch dass diese Freude ein jähes Ende haben kann, ist uns bewusst. „Mir sind die Tränen gekommen, als ich das Bild von der hochschwangeren Frau sah, die von Helfern auf einer Trage durch die Ruinen einer Geburtsklinik in Mariupol getragen wurde“, berichtete Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auf der Frühjahrssynode. Weder die Mutter auf dem Bild aus Mariupol noch das Kind haben überlebt.

„Für mich sind diese Bilder aus der Ukraine moderne Kreuzigungsbilder“, sagte der Bischof. „Ich wüsste nicht, wie ich sie ohne meinen Glauben aushalten könnte. Gott ist mittendrin in diesem Krieg.“ Das glauben Natalia, meine Frau und ich auch. „Gott sitzt mit den verzweifelten Menschen in den U-Bahn-Schächten von Kiew. Er ist da unter den Trümmern des Theaters von Mariupol. Er ist zu hören im lauten Klagen der Menschen, die in Charkiw vor den zerbombten Ruinen ihrer Wohnblöcke stehen. Gott ist bei ihnen als Quelle von Kraft und Trost“, so Bedford-Strohm. Und wir wissen er ist auch bei Natalia und Aurora.

Was gibt in dunklen Zeiten Zuversicht? Diese Frage wurde dem Bischof vor ein paar Tagen gestellt, berichtete er auf der Synode.  Er gab als Antwort: Die Ohnmacht teilen und sie durchbrechen. Inmitten der Anteilnahme und des Erschreckens die Gedanken immer wieder auf das Schöne richten. Hoffnungsquellen erschließen.

Schon vorher hat genau das meine Frau mit Natalia getan. Sie haben sich per Chat über den Krieg unterhalten, über die Unterstützung, die viele Menschen den Ukrainern entgegenbringen. Natalia bedankte sich für Gebete und freundliche Nachrichten. Und sie unterhielten sich trotz Krieg über ihr Hobby, die Puppen: Gedanken auf das Schöne richten.