Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über den Beginn des 2. Petrusbriefes
Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
2. Petrus 1, 16–19
Heute würde der Verfasser des 2. Petrusbriefs sich in der Einleitung seiner Abhandlung vielleicht nicht von den „ausgeklügelten Fabeln“ der Irrlehrer, gegen die er sich im weiteren Verlauf wendet, abgrenzen, sondern vor „Fake News“ und „alternativen Fakten“ warnen.
Das ist insofern problematisch, weil er sich als Kind seiner Zeit eines damals beliebten Stilmittels bedient: Um seinen Worten Gewicht zu verleihen, schreibt er nicht unter eigenem Namen, sondern bedient sich der Autorität eines anderen. Unter dem Namen des Apostels Petrus erklärt er sich sogar zum Augenzeugen der Verklärung Jesu auf dem heiligen Berg. Soll man weiterlesen und einem Glauben schenken, der schon in der Einleitung versucht, sich durch eine faustdicke Lüge zu legitimieren?
Ja, wir sollen! Und wir dürfen wie in jedem Bibeltext der tieferen göttlichen Wahrheit nachspüren, die sich in menschliche Worte kleidet und manchmal fast von ihnen verdeckt zu werden droht. Wie das geht, dazu gibt der Verfasser einen wichtigen Hinweis: Die Szene, deren Augenzeuge er gerne gewesen wäre, begegnet uns im Evangelium dieses Sonntags (Mt 17, 1–9). Letztgültige Wahrheit gibt es nur bei Gott und nur er kann sie offenbaren: Was damit zunächst so fern und unverfügbar erscheint, ist uns in Jesus ganz nahegekommen. Wer nach Wahrheit fragt, ob in der Bibel oder in der Welt, der wird nach dem geliebten Sohn Gottes fragen und auf ihn schauen müssen.
Der, der sich selber als den „Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14, 6) bezeichnet, der lässt sich nicht einspannen für Botschaften der Lüge und der lebensfeindlichen Gewalt. Wo Intoleranz gelebt und Hass gepredigt wird bleibt die Welt noch dunkel. Je dunkler es ist, umso sorgfältiger muss auf das spärliche Licht geachtet werden.
Es ist mühsam, kräftezehrend und oft genug frustrierend im Getöse der Lügen dieser Welt die Sinne für die leise Wahrheit unseres Gottes zu schärfen und in Sanftheit für sie zu werben. Aber der Anbruch von Licht und Klarheit ist auch uns verheißen „bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“
Frank Bienk, Pfarrer in Günzburg