Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zur Unheilsprophetie
So spricht der Herr Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch. Denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des Herrn. Sie sagen denen, die des Herrn Wort verachten: Es wird euch wohlgehen. Und allen, die im Starrsinn ihres Herzens wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen. … Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? … Wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen? … Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der Herr, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeisst?
Aus Jer 23, 16–29
Was hilft gegen den Klimawandel? Wie schützen und stärken wir unsere Demokratie? Wie gehen wir mit den vielen flüchtenden Menschen weltweit um? Wie verhindern, wie beenden wir Kriege? Wie sieht die Gesellschaft der Zukunft aus, in der unsere Kinder und Enkel leben sollen? Zu allen diesen und noch vielen anderen drängenden Fragen gibt es sehr unterschiedliche Antwortversuche. Im Netz, in der Nachbarschaft und manchmal auch auf den Straßen tobt ein erbitterter Kampf um die „richtige“ Meinung und darum, was genau zu tun ist.
Da hören wir gern „Es wird schon gut gehen“ oder ähnliches. Das beruhigt unsere Angst. Und haben wir nicht gelernt, wie wichtig es ist, sich an Bildern von guten Zielen auszurichten? Brauchen wir da die Unheilsprophetie eines Jeremia, der im Streit mit seinem Kollegen Hananja entschieden vertritt, dass eben nicht so einfach alles gut werden wird?
Dass es verantwortungslose Augenwischerei ist, Menschen in einer Krisenzeit das Blaue vom Himmel herunter zu versprechen anstatt sie damit zu konfrontieren, dass es nötig sein könnte, schmerzhafte Schritte zu gehen und sich von lieb Gewordenem zu verabschieden. Der darauf beharrt, dass Gottes Wort lodern und brennen kann wie Feuer.
Auch Unheilsprophetie gibt es derzeit reichlich, in krudesten Ausprägungen. Auch Worte wie Feuer und Hammer, Worte, die wehtun und viel kaputt machen, gibt es viele, viel zu viele. Die Frage ist doch, wie wir im Ringen um die besten Antworten unterscheiden können, worin Gottes Wille sichtbar wird. Jeremia sagt: wenn Menschen nicht nur auf sich selbst achten und mit „bösem Wandel“ und „bösem Tun“ wirklich aufhören, dann zeigt sich Gottes Wille. Wo Worte dem Frieden und der Gerechtigkeit den Weg bahnen, und diesen Worten auch Taten folgen, zeigt sich Gottes Spur.
Ich finde: in einer Zeit, in der so viel auf dem Spiel steht, brauchen wir wie zu Zeiten Jeremias solche leidenschaftlichen Worte, die uns aufwecken, wo wir zu selbstgenügsam, zu harmlos oder zu „starrsinnig“ sind – wo wir also zu unbeweglich denken und fühlen. In einer Zeit, in der aggressive menschenfeindliche Reden und Umtriebe immer sichtbarer werden, braucht es brennende und donnernde Worte und Taten, die dem Grenzen setzen, auch von uns. Wie sie im 5. Flugblatt der „Weißen Rose“ standen: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den ihr um euer Herz gelegt. Entscheidet euch, eh es zu spät ist.“
Pfarrerin Elke Wewetzer, Schwabing