Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern über unsere Einsetzung als Gottes Erben
„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens. In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden, nach dem Ratschluss seines Willens.“
Epheserbrief 1, 3a.5.11
Vor Kurzem war unsere Familie bei der Notarin. Meine Frau und ich haben das Haus, das wir vor 25 Jahren gebaut haben, an unsere beiden erwachsenen Kinder überschrieben. Ein feierlicher Moment. Aber auch ein merkwürdiger Termin. Notarsdeutsch muss man erst einmal verstehen. Schwere Wörter, komplexe Zusammenhänge. Paragrafen, Absätze und Ziffern. Wir hatten uns im Vorfeld alles erklären lassen, alles mehrmals durchgelesen. Aber jede Einzelheit verstanden hatten wir denoch nicht, als wir unterschrieben.
Dabei ist es doch so einfach: Da sind Eltern, da sind Kinder, da ist ein Haus und ein Grundstück. Da ist Liebe und Vertrauen. Da ist Freude und Dankbarkeit. Da ist Loslassen und Annehmen und gegenseitiges Umarmen. Da ist Sekt zur Feier des Tages.
Hätte man es im Epheserbrief nicht einfacher formulieren können? Stattdessen Verse voller Notarsgriechisch, ein schwerer Text, aus dem ich die für mich klarsten Verse ausgewählt habe. Übersetzen wir es doch in eine lebendigere Sprache. Wir müssen nicht weit blättern. Vom Epheserbrief vor zu Lukas, Kapitel 15. Ähnliche Gedanken, aber mit Herz und Gefühl und Menschlichkeit: „Und Jesus sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngere von ihnen sprach zum Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.“
Die Erzählung vom liebenden Vater und vom heimkehrenden Sohn. Wunderbar und erschütternd. Schon nach drei Sätzen ist alles in den Sand gesetzt. Gleich am Anfang geschieht die schlimmste anzunehmende Katastrophe. Aber es endet nicht gemäß Notarsurkunde.
Am Tiefpunkt, im Schweinestall, mit leerem Bauch und hängendem Kopf, das Erbe verspielt, macht sich der jüngere Sohn auf den Heimweg.
Der Vater sieht ihn kommen. „Und es jammerte ihn“, erzählt Jesus. Und der Vater rennt ihm entgegen, umarmt und küsst ihn, kleidet den stinkenden Sohn in kostbare Gewänder und schlachtet ein Kalb und feiert ein Fest.
Das Gleichnis berührt mich noch genauso wie beim ersten Mal. Es ist dieselbe Sache, die der Epheserbrief ausdrücken will. Nur hier finde ich persönlich leider keinen Anker zum Andocken. Tröstlich, dass nicht nur wir Nachgeborenen manchmal so papieren von dem liebenden Vater reden. Weil uns die Botschaft vom liebenden Vater doch zu einfach ist?
Ich bleibe dabei: „Es jammerte ihn“. Oder die zärtliche Anrede Gottes, die uns Jesus lehrt, „Abba, lieber Vater“. All das trifft mein Herz, wässert mir die Augen, zaubert auf mein Gesicht ein Lächeln. Auch und gerade mitten in der Verzweiflung.
Da ist ein Vater. Da sind Töchter und Söhne und Erben. Da ist Liebe und Zärtlichkeit, Geben und Annehmen. Da ist Freude und Dankbarkeit. Da ist Sekt oder auch ein gemästetes Kalb.
Wolfgang Buck, Bayerischer Pfarrer, Liedermacher und Kabarettist