Die Verstecke der Finsternis durchleuchten

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Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Andacht im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zu Licht und Finsternis

Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. … Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind. 

aus Johannes 3, 14–21

Mach doch bitte mal das Licht an, ich sehe ja gar nichts …!“ Ein Ehepaar sucht im Keller nach den Gläsern. Für die Feier am Abend müssen sie aber geholt und noch einmal gespült werden. „Ach, wenn später die Gäste da sind, lass bitte das große Licht aus! Ich habe es nicht geschafft, noch staubzusaugen. Doch wenn es nicht so hell ist, fällt das gar nicht auf.“ Es wird ein schöner Abend – mit gespülten Gläsern und leicht staubigem Fußboden. 

Licht kann Unterschiedliches auslösen. Auf der einen Seite macht es hell und vertreibt die Dunkelheit. Da schreckt man nachts hoch, hat schlecht geträumt und ist erst einmal verwirrt. Wo bin ich? Habe ich nur geträumt? Oder war es doch real? Wie gut tut da das Licht der Nachttischlampe, das plötzlich hell macht und man sich selbst im Halbschlaf wieder orientieren kann.

Oder am Ende einer langen Nacht, in der man wach lag. Sorgen haben einen umgetrieben, manche Ängste einen nicht schlafen lassen. Wie wohltuend sind da die ersten Strahlen der Sonne. Vielleicht bin ich nicht ausgeschlafen, aber Sorgen und Ängste werden kleiner. 

Doch gibt es auch die andere Seite. Manchmal wünscht man sich vielleicht, dass nicht alles gesehen wird und manches im Dunkeln bleibt. Es geht vielmehr um innere Dunkelheit, das innere Chaos des Lebens. Hoffentlich bekommt keiner mit, was alles missglückt ist. Was würde der oder die von mir denken, wenn sie das wüssten? …

Nikodemus kommt in der Dunkelheit der Nacht zu Jesus. Das ist die Vorgeschichte zu den obenstehenden Sätzen aus dem Johannesevangelium. Weshalb er gerade nachts unterwegs ist? Vielleicht hofft er auf den Schutz der Dunkelheit. Es muss nicht jeder sehen, dass er zu Jesus geht. Oder er hofft darauf, dass er Jesus allein und mit Zeit für ihn antrifft. Wir wissen es nicht.

Die beiden kommen ins Gespräch. Jesus redet mit Nikodemus, hört zu, antwortet. Vielleicht ist das Gespräch für Nikodemus eine Erleichterung wie die aufgehende Sonne am Ende einer quälend langen Nacht. Vielleicht ist es auch anstrengend, Licht in die Dunkelheiten seines Lebens zu lassen, die man lieber verborgen lassen möchte. Innerlich aufräumen. Aber es tut gut, sich auf das Licht einzulassen und nicht an der Dunkelheit festzuhalten – und zu spüren: Jesus hinterfragt, aber er verurteilt mich nicht. 

Stefan Gehrig, Leiter des Gottesdienst-Instituts Nürnberg