Die traurigen Orte schmücken

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Inge Wollschläger, Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern
Inge Wollschläger, Mitglied der Redaktionskonferenz im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern, Hintergrundbild von Erich Kraus.

Weihnachtliches Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Es ist noch gar nicht so lange her, da feierten wir Weihnachten mit einem Gottesdienst zuhause. Und auch wenn wir dieses Jahr alle wieder in die Kirche gehen können, wird dieser Abend in meiner Erinnerung vermerkt sein. Wir sangen gemeinsam am Küchentisch und lasen anschließend die Regieanweisung: „Gehe in deiner Wohnung zu einem unpassenden, unordentlichen Ort: ein unaufgeräumter Schrank, eine vollgestopfte Schublade, die Staubecke hinter dem Sofa. Räume nicht auf. Putze nicht. Aber lege etwas von deiner Weihnachtsdekoration dorthin: einen Stern, einen Zweig, etwas Glitter, was du eben hast“.

Aus den kunterbunt geschmückten Zweigen des Christbaums nahm ich einen goldenen, glitzernden Stern. Er hing neben einem kleinen Dinosaurier aus Glas, den einer meiner Söhne mal auf einem Weihnachtsmarkt entdeckt hatte. Jedes Mitglied meiner Familie nahm sich ebenfalls etwas von der festlichen Nordmanntanne und dann zogen wir los: Wir besuchten den Stuhl im Schlafzimmer, auf dem sich Klamotten stapelten, die noch nicht „reif“ für die Wachmaschine waren. Wir gingen am Schreibtisch vorbei, auf denen sich Rechnungen und Reste von Geschenkpapier und  Klebstreifen befanden. Zum Kinderzimmer mit der umgekippten Büchertasche. Zum Schuhregal, in dem sich Schuhe für fünf Menschen stapelten. 

Dann lasen wir abwechselnd einen Text, den ich bis heute nicht vergessen habe: Gott ist in der Welt. Wir finden ihn am unpassenden, zugigen Ort. Auch dort, wo man manchmal nicht sein will. Gott ist in der Welt. Und wenn es in dir manchmal zugig ist, dreckig und unpassend. Wenn in diesem Jahr einiges für dich zu viel war. Dann hör du ganz besonders auf den Engel, der da sagt: Gottes Ehre in der Höhe. Friede auf Erden – und Freude. Es hat schon begonnen. Die Welt wird neu. Und du wirst neu. Steh auf. Du bist gemeint, Mensch seines Wohlgefallens. Für dich ist heute der Heiland geboren. Du bist längst schon gefunden, geheiligt, geliebt!

Wir legten unsere funkelnden Gaben an den „unpassenden“ Orten ab. Es war ein feierlicher und auch ein tröstender Moment, als dieses neue und funkelnde in all das Unaufgeräumte und Vollgestopfte kam. Friede und ein gewisser Glanz auf Erden waren auf einmal  für uns sichtbar.

Gesegnete Weihnachten und einen guten Beschluss wünscht Ihnen 

Inge Wollschläger