Wie Verantwortung mobilisiert wird

501
Radentscheid Übergabe der Unterschriftenlisten
Von links: Heidi Schilling übergab mit Camilla Ebert die Unterschriftenliste an Birgit Fischer vom Einwohnermeldeamt der Verwaltungsgemeinschaft. Die Bürgermeister Johannes Schneider (Adelshofen), Gerd Rößler (Gebsattel) und Richard Strauß (Geslau) nahmen sie in Empfang. Auch Dr. Gertrud Overmans und Bettina Trenkle organisierten die Aktion mit. Foto: Privat

Volksbegehren für einen Radentscheid erfolgreich auf den Weg gebracht: Umdenken nötig

Die Hoffnung ist groß: In den vergangenen Monaten sammelten bayernweit viele Initiativen Unterschriften, um ein Volksbegehren für einen Radentscheid auf den Weg zu bringen. Das Koordinationsteam hat inzwischen rund 100.000 Unterschriften gezählt. Damit hat das Bündnis Radentscheid Bayern das erste Zwischenziel um das Vierfache übertroffen: 25.000 gültige Unterschriften sind für die Zulassung des Volksbegehrens nötig. 

Die einzelnen Unterschriften-Listen wurden am Buß- und Bettag, 16. November, dezentral gut hundert Städten, Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften in Bayern übergeben. Dort überprüfen die Stadtverwaltungen sie. 

Sollte sich die Zählung des Aktionsbündnisses offiziell bestätigen, gehen die gesammelten Unterschriften an das bayerische Innenministerium. Für einen positiven Volksentscheid wären im nächsten Frühjahr oder Sommer eine Million Unterschriften von wahlberechtigten Bayern über einen Zwei-Wochen-Zeitraum in den örtlichen Rathäusern oder Amtsstellen nötig.

Das Bündnis wird vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Bayern, von weiteren Verbänden für eine alternative Verkehrspolitik, kommunalen bayerischen Initiativen, vom BUND Naturschutz (BN) und fünf bayerischen Landesverbänden politischer Parteien unterstützt. Ziel ist ein Radgesetz für Bayern, das die Staatsregierung und Kommunen verpflichtet, umweltfreundliche Mobilität praktisch umzusetzen. Die Staatsregierung hat 2017 versprochen, den bayernweiten Radverkehrsanteil bis 2025 von 10 auf 20 Prozent zu verdoppeln. Bis jetzt ist der Radverkehrsanteil aber nur auf elf Prozent gestiegen. 

Das sei auch kein Wunder, beklagt das Bündnis für den Radentscheid: Auf dem Land fehlt ein Alltagsradwegenetz zwischen den Orten. Oft hat man nur die Wahl zwischen holprigen Feldwegen oder gefährlichem Radeln auf der Landstraße, wo sie von Autots mit hohen Geschwindigkeiten und wenig Abstand überholt werden. Radmitnahme in Bus und Bahn ist teuer, nicht garantiert oder meist gar nicht erst möglich.

Beispiel „Rettet Bienen“ 

Schon einmal war ein solches Volksbegehren erfolgreich: Vor drei Jahren zur „Rettung der Bienen“. Das klang zwar fast ein wenig kitschig, mobilisierte aber. 2019 liefen Kindergartenkinder genauso wie Senioren mit gelb-schwarzen Plakaten durch die bayerischen Innenstädte: „Rettet die Bienen“ war der einprägsame Slogan – stellvertretend für ein neues Gesetz zum Artenschutz. Bekanntlich setzten sich die Initiatoren durch: Der Landtag lenkte nach anfänglicher Ablehnung ein und erließ neue Richtlinien zur Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen. 

Uwe Kranenpohl, Professor für Politikwissenschaften an der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN), hat das Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit“ – so der offizielle Name – unter die Lupe genommen und Gründe für seine Durchsetzung analysiert. Er bescheinigte eine kluge Konzeption der Kampagne. Unter anderem waren der eingängige Slogan, die Fokussierung auf das Insektensterben stellvertretend für andere Belange des Naturschutzes, ein breites gesellschaftliches Unterstützerbündnis und die dezentrale Organisation ausschlaggebend. 

In seiner Studie betont Kranenpohl, dass die Hürden für Volksbegehren in Bayern besonders hoch sind. Dies aber schaffe Anreize zur Bildung breiter politischer Bündnisse. Er meint, die Verwirklichung des Volksentscheides (dem die Regierung Markus Söder vor drei Jahren mit einem eigenen Gesetz zuvorkam) hätte gute Chancen gehabt. 

Auch die Engagierten des Rothenburger Klimabündnisses versuchen seit Jahren, „zusammen mit der Verwaltung, der Verkehrspolizei und Stadtspitze, die Situation für Radfahrer in Rothenburg besser und vor allem sicherer zu machen. Dabei hat sich gezeigt, dass ein verbindlicher gesetzlicher Rahmen wesentlich mehr bringt, als alle Appelle und Willensbekundungen zusammen“, das betonte Heidi Schilling, die die Unterschriftensammlung vor Ort koordinierte.

Alle Menschen, die am Verkehr teilnehmen, sollten dabei gleichberechtigt sein. Es gab bereits mehrere Befahrungen vor Ort, um sichere und komfortable Wege für Radler und Radlerinnen sicherzustellen. Denn die bisherigen geteilten Radwege für Menschen zu Fuß und auf zwei Rädern haben sich als ungenügend herausgestellt. Da gab es erste Änderungen und Zusagen für eine konsequentere Umsetzung.

Das Klimabündnis, der BUND Naturschutz und weitere Engagierte vor Ort sammelten nun 228 Unterschriften in Rothenburg und weitere 88 in den Umlandgemeinden, die der Verwaltungsgemeinschaft übergeben wurden. Dort waren gleich drei Bürgermeister anwesend: Johannes Schneider aus Adelshofen und Vorsitzender der Verwaltungsgemeinschaft, sein Stellvertreter Richard Strauß aus Geslau sowie Gerd Rößler aus Gebsattel.

Auch BN-Landesbeauftragter Martin Geilhufe merkte an, dass die Staatsregierung bei der Reduktion der Treibhausgase im Verkehrssektor auf der Stelle trete. Das Rad sei neben dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) der wichtigste Baustein für eine natur- und umweltverträgliche Mobilität. Daher müsse Radfahren in Bayern für alle sicher und komfortabel werden. 

Umkehr zum Bußtag

Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm hat in seiner Predigt zum Buß- und Bettag junge Klimaaktivisten unterstützt. Sie handelten „aus Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen“, sagte er in der Münchner St. Matthäuskirche. 

Mit den politisch Verantwortlichen müsse darüber gesprochen werden, wie sich die Dringlichkeit des Anliegens – die konsequente Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen – „in konkretes politisches Handeln umsetzen“ lasse, so der Landesbischof. Die entscheidende Frage sei: „Wie kann sich eine hoch spezialisierte Volkswirtschaft schnell, ohne Massenarbeitslosigkeit und ohne neues Leid zu schaffen, so umstellen, damit sie die Herausforderungen für die Zukunft wirklich bestehen kann“.

Der Buß- und Bettag biete Raum, „sich Zeit zur Besinnung zu nehmen“, was wichtig sei im Leben und so einen „nachhaltigen Weg zu finden heraus aus den Sackgassen unserer Zeit“, sagte Bedford-Strohm. Buße sei „keine Inszenierung moralischer Zerknirschung“, sondern „eine Erneuerung der Seele“. 

Mehr zum Radentscheid Bayern unter https://radentscheid-bayern.de.