Gleichzeitig Dürre und Überschwemmung

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Farhan Mohamed Ali mit einer seiner Ziegen. Foto: Diak. Katastrophenhilfe
Farhan Mohamed Ali mit einer seiner Ziegen. Foto: Diak. Katastrophenhilfe

Somalia im Brennpunkt von Kriegen, Corona und Klimakatastrophe: Hilfe gegen Hunger

Farhan Mohamed Ali hält eine seiner Ziegen auf dem Arm. Jedes Tier ist kostbar, denn es sichert das Leben seiner Familie in Somalia. „Ich habe sieben Kinder, drei davon sind unter fünf Jahre alt,“ erzählt der 38-Jährige aus dem Dorf Farha Gedi im zentralsomalischen Bezirk Galkayo. „Ich hatte über hundert Ziegen, jetzt sind es nur noch 26 – der Rest ist verhungert. Eine ähnliche Dürre habe ich niemals erlebt.“

Auf den staubtrockenen Böden wächst kein Halm mehr. Was nicht auf den Feldern verdorrt ist, haben Heuschrecken gefressen. Ziegen und Schafe finden weder Futter noch Wasser und verenden. In Somalia droht die größte Hungersnot seit 2011. Vier Mal in Folge sind die Regenzeiten in dem ostafrikanischen Land fast völlig ausgefallen. Gemeinsam mit ihren lokalen Partnerorganisationen hilft die Diakonie Katastrophenhilfe in Somalia. 

Die durch jahrelangen Krieg und Vertreibung ohnehin entkräftete Bevölkerung hat diesen Katastrophen nichts mehr entgegenzusetzen. Schon jetzt haben mehr als vier Millionen Menschen im Land nicht genug zu essen, 1,4 Millionen Kinder sind unterernährt. Ein Großteil der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe und Nahrungsmittel angewiesen. 

Von zwei Regenzeiten jährlich hängen die Landwirtschaft ab. Doch in den letzten Jahren hat sich dieser Rhythmus durch den Klimawandel zunehmend verschoben. Die Temperaturen steigen, die Trockenzeiten dauern länger und die Regenzeiten fallen unterdurchschnittlich kurz oder ganz aus. Wenn es endlich regnet, dann oft so heftig, dass die ausgetrocknete Erde die Wassermassen nicht mehr aufnehmen kann. So gingen regional Felder, Häuser und Vieh in den Wassermassen unter. Mit der Flut kamen die Heuschrecken und vernichteten, was noch auf den Feldern und Weiden stand. 

Weil viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, müssen sie mit verunreinigten Quellen leben. Doch damit wächst die Gefahr, sich mit lebensbedrohlichen Krankheiten anzustecken. 

Chaos und Bürgerkrieg

Seit dem Jahr 1991 herrschen im Land zudem Chaos und Bürgerkrieg. In Teilen des Landes haben islamistische Milizen die Kontrolle. Zugleich kämpfen vielerorts lokale Clans um Macht, Wasser und Land. Seit 2012 ist wieder eine offizielle Regierung im Amt, die jedoch nicht überall im Land anerkannt ist.  

Nun bedroht ein Krieg im fernen Europa zusätzlich ihr Überleben. Durch den Konflikt in der Ukraine bleiben dringend notwendige Getreideimporte und Hilfslieferungen aus. Noch im Vorjahr hatte Somalia mehr als 90 Prozent seines Weizens aus Russland und der Ukraine bezogen. „Bei uns lässt der Krieg in der Ukraine die Preise für Nahrungsmittel und Treibstoff massiv ansteigen. Die Folgen der Pandemie und steigenden Preise verstärken die Not. 

Somalia zählt ohnehin zu den vergessenen Krisenregionen. Weil wegen des Ukraine-Kriegs die Preise gestiegen sind, reiche das Budget für Nothilfe noch weniger als zuvor. Viele Hilfsorganisationen schätzen die Lage inzwischen als bedrohlicher ein als im Jahr 2011. Damals starben in Somalia mehr als 250.000 Menschen an Hunger. Rund 2,97 Millionen Menschen sind im Land auf der Flucht – mehr als 658.000 Menschen außerhalb des Landes.

Zu den Hunderttausenden im Zuge der Konflikte Vertriebenen kommen immer mehr Menschen, die aufgrund der Wasser- und Nahrungsmittelknappheit fliehen. Allein der Bezirk Süd-Galkayo in der zentralsomalischen Provinz Galmudug hat in den letzten Monaten 30.000 neue Vertriebene aufgenommen. Ähnlich ist die Lage überall.  

Hilfsprojekte der Diakonie

Mit ihren Partnerorganisationen will die Diakonie Katastrophenhilfe das Überleben der von Dürre und Hunger bedrohten Menschen sichern. Zugleich ist die Wasser- und Sanitärversorgung zu verbessern und der Heuschreckenplage zu begegnen. 

Die Hilfsorganisationen unterstützen in vier Lagern und fünf Dörfern rund 5.800 notleidende Binnenvertriebene. Fünf Monate lang erhalten sie umgerechnet rund 105 Euro, um die lebensnotwendigsten Lebensmittel zu kaufen. 

Über Gutscheine können zudem 600 Familien, die neu in der Stadt angekommen sind, sauberes Wasser beziehen. In den gerade entstandenen Camps sind zudem 40 geschlechtsspezifische Latrinen im Bau, um die Hygiene zu verbessern, Frauen zu schützen und der Verbreitung von Krankheiten vorzubeugen. Begleitend schulen sie 15 Freiwillige, die in den Flüchtlingsansiedlungen über Hygiene informieren. 

In ländlichen Gemeinden des Bezirks werden drei Brunnen instandgesetzt. Es ist besonders wichtig, die Wasserversorgung für die Menschen, das Weidevieh und die Landwirtschaft zu sichern. „Wo es dem Vieh gut geht, gibt es keinen Hunger“, erklärt Jana Schröder, Projektverantwortliche für Somalia der Diakonie Katastrophenhilfe. Dazu werden Flachbrunnen und Bohrlöcher ausgebessert sowie Kanäle und Schleusen erneuert. 

Ziel des 2021 angelaufenen Projekts ist es, Kindern aus vertriebenen Familien in Galmudug Zugang zur Bildung zu ermöglichen. Dazu bauen und renovieren die Partnerorganisationen 25 Klassenräume an zehn Schulen. Diese bieten ein geschütztes Lernumfeld für 1.200 Jungen und Mädchen zwischen sieben und 13 Jahren. Im Bundesstaat Galmudug gibt es nach dem friedlichen Regierungswechsel 2020 Anzeichen für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Auch wenn die Corona-Pandemie diese ausgebremst hat, entstehen neue Unternehmen. 

Um alternative Einkommensmöglichkeiten zu bekommen, erhalten 220 Frauen und Männer die Chance, eine Berufsausbildung im technischen Bereich zu absolvieren – etwa für Telekommunikation oder Solarenergie, um anschließend ihre Familien ernähren zu können. Es ist gewährleistet, dass sie bis zu sechs Monate danach weiterbeschäftigt werden können. Damit mehr Frauen Zugang zu einer qualifizierten Ausbildung erhalten, beziehen die Partner religiöse Führungspersonen ein.

Mit 32 Euro kann einem Kind drei Monate lang der Schulbesuch ermöglicht werden. Für 25 Euro erhält es drei Monate lang Gutscheine für Nahrungsmittel. Mit 105 Euro kann eine aufgrund der Dürre vertriebene Familien ihre wichtigsten Nahrungsmittelbedürfnisse einen Monat lang decken. Mit 3.500 Euro kann ein Flachbrunnen saniert und gereinigt werden. Der Betrieb einer Trinkwasser-Aufbereitungsanlage kostet jährlich 15.000 Euro. Damit können täglich tausend Familien mit sauberem Wasser versorgt werden. 

Diakonie Katastrophenhilfe/bor

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