Heilig – verspielt – frei

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Landesausstellung zu Franken
Spielzeugpferde mit Kutsche aus der Rhön, besonders beliebt bei Kindern der Kurgäste in Bad Kissingen um 1900. Foto: Borée

Landesausstellung „Typisch Franken“ in der Ansbacher Orangerie und Gumbertuskirche

Vom Alptraum Karl Augusts von Hardenberg berichtet Martin Ott im Katalog der neuen Landesausstellung „Typisch Franken?“: Der Staatsreformer organisierte ab 1790 die Übergabe der Markgrafentümer Ansbach und Bayreuth an Preußen. Für ihn herrschte blankes Chaos in diesen fränkischen Territorien. Denn sie beherrschten für den Preußen kein einheitliches Territorium. 

Durchlöchert wie ein Schweizer Käse erschienen ihm selbst diese größeren Herrschaftsgebiete in Franken. Streubesitz anderer Herrschaften bis hin zu Reichsrittern, die gerade mal ein Dorf beherrschten, oder alle möglichen ausgegliederten Rechtskreise, die einander durchdrangen und überschritten, machten ihm sichtlich Mühe.

Und dabei waren die Markgrafentümer noch vergleichsweise einheitlich – und besonders früh protestantisch geprägt. Nicht nur Hardenberg, sondern auch die Kuratoren der Landesausstellung „Typisch Franken?“ in Ansbach müssen schlaflose Nächte verbracht haben. 

Das Typische an Franken scheint zu sein, dass es so zerrissen scheint. Die Unterschiede zwischen ehemaligen Reichsstädten und dem Herzogtum der Bischöfe von Würzburg, den Reichsritterschaften und den Territorien des Deutschen Ordens trugen nur wenig zur Ausbildung einer fränkischen Identität bei. 

Und dies, obwohl die ältesten Grenzbeschreibungen des deutschen Sprachraums von 777 aus Hammelburg und von 779 aus Würzburg stammen. Schon zur Zeit Ottos des Großen gab es kein einheitliches Herrschaftsgebiet – etwa gar ein Herzogtum – mehr in den heutigen fränkischen Regionen. Streitigkeiten um Grenzziehungen zwischen Herrschaftsbereichen bestimmten die Geschichte. 

Waren Franken da besonders freiheitsliebend, so dass jedes Gebiet auf eine Sonderrolle pochte? Oder ging die Entwicklung zur Vereinheitlichung an ihnen vorbei? Im „Reichsdorf“ Gochsheim verwalteten sich in der frühen Neuzeit gerade mal 1.500 Protestanten und hundert Juden selbst. Sie symbolisierten ihre Unabhängigkeit mit steinernen Löwen, die einen Reichsadler hielten. Auch viele Städte setzten auf Reichsunmittelbarkeit. Doch ging die Entwicklung daran vorbei.

Eine Einheit – dies konnte auch der fränkische Reichskreis nicht leisten, der sich zur Zeit der Reformation trotz des konfessionellen Zerfalls verstärkt herausbildete. Seit 1791 versuchten die Gesandten der 27 Kreisstände, die nun permanent in Nürnberg tagten, Konzepte für die politische Zukunft zu entwickeln: Doch sie waren schon bald von den Entwicklungen der Zeit überholt – ebenso wie Preußen in den Markgrafentümern: Altbayern griff mit dem Segen Napoleons nach Norden aus. 

Lässt sich Frankens Identität da im Negativem, in der Abwehr bayerischer Einflüsse näherkommen? Nicht katholisch, nicht als Bierland wie der südliche Nachbar? Jeder weiß, dass dies nicht stimmt. Nur manche Gebiete Frankens sind protestantisch, ebenso wie nur einige Regionen Wein anbauen. 

Wenn auch Glaubensvorstellungen in Franken eine starke Rolle spielen oder Freiheit von Abhängigkeiten – was geschah nach der Übernahme durch Bayern? War Franken von Bayern regiert – oder nicht vielmehr Bayern von Franken? Der Ausstellungskatalog sammelt viele Beispiele: Schon 1830 ließ sich ein hoher altbayerischer Staatsbeamter, obgleich anonym, so zitieren: Wenn er besonders geschickte Männer für den Staatsdienst bedürfe, so seien diese in Franken zu finden. 

Ferner sollen die wichtigen Ressorts Kultus, Justiz und Finanzen der bayerischen Landesregierung von 1871 bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fast durchgängig von Franken besetzt gewesen sein. Die bayerischen Herrscher bevorzugten „gemäßigt liberale Männer“, so heißt es – darunter viele protestantische Franken? Auch die Wahlbezirke für den Landtag waren vor 150 Jahren lange so geschnitten, dass liberale Bezirke bevorzugt waren. Dagegen schuf der „Kniebeugeerlass“ in Bayern von 1838, der auch protestantische Soldaten beim Militärgottesdienst zur Kniebeuge vor dem Allerheiligsten verpflichtete, böses Blut.

Ein Anliegen scheint es da Rainhard Riepertinger, dem stellvertretenden Leiter des Hauses der Bayerischen Geschichte, als Verantwortlichem der Ausstellung zu sein, nichts zu vergessen. Die drei Regionen Frankens sind jeweils noch einmal symmetrisch in drei Kapitel gegliedert. 150 Exponate vertreten sie insgesamt. Sollte trotzdem inhaltlich ein Regiönchen fehlen, so zeigt allein diese Durchdringung das Bemühen um Vollständigkeit. Da soll nun – hoffentlich! – keine Befindlichkeit verletzt sein. 

Um nun allen gerecht zu werden und diese Landessausstellung unterhaltsam zu machen, bietet sie neben der systematischen Aufarbeitung viele Anekdoten, die das Hintergrundwissen ergänzen. Solch Unterhaltung steht nicht nur in der
Tradition der „Spielzeugstadt“ Nürnberg. Nein, auch Heimarbeiter in der Rhön fertigten Spiele an. Und Wortschöpfungen wie „Angsthase“ oder „Wetterfrosch“ stammen aus Oberfranken – vom Dichter Jean Paul.

Auch interaktive Stationen vor Ort haben dasselbe Ziel: Sie wollen den Besuchern auf spielerische Art und Weise das typisch Fränkische näherbringen: Und was genau ist da jetzt nun? Das soll ganz salomonisch jede und jeder für sich selbst entscheiden. Im Zentrum stehe „das Facettenreichtum“ der nordbayerischen Regionen.

Landesausstellung bis 6. November in der Orangerie Ansbach und in St. Gumbertus täglich 9 bis 18 Uhr. Eintritt regulär für 12 Euro, Katalog in der Ausstellung 24 Euro. Mehr unter https://www.hdbg.de oder Tel. 0821/32950.