Auf der Wüstenwanderung

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Susanne Borée Editorial in der Frühlingshoffnung

Editorial von Susanne Borée zur Osterausgabe des Evangelischen Sonntagsblattes

Einfach aufstehen und die dürren Zeiten des Lebens zu überwinden – ist das überhaupt möglich? Belasten uns nicht viel zu sehr die Vergangenheit oder die düsteren Ängste vor der Zukunft?

Wie das Volk Israel scheinen wir in einer endlosen Wüste unterwegs zu sein. So gern will ich zurück zu den „Fleischtöpfen Ägyptens“, als der weitere Lebensweg gesichert schien. Als ich genau wusste, wo ich im nächsten Jahr sein werde und dass in drei Jahren zum Ostermahl wieder der Lammtopf auf den Tisch kommt.

Stattdessen gibt es klebriges Manna zum Frühstück und zum Abendbrot. Es lässt sich keinen einzigen Tag lang aufheben! Vorsorge wird mit Füßen getreten. Und wer weiß, wann mir mal wieder eine erschöpfte und ziemlich verdurstete Wach-tel vor die Füße fällt (vgl. 2. Mose 16)?

Vor zwei Wochen, in meinen Gedanken zu den
Ökumenischen Alltagsexerzitien schrieb ich: „Gerne hätte ich mal ein wenig mehr Kraft über die Bewältigung des Alltags hinaus. Ich könnte sie gut nutzen, um einmal zu ganz neuen Horizonten aufzubrechen. Liegt die Kraft aber wirklich im großen Sprung? Oder vielmehr in den unzähligen kleinen Schritten des Alltags – einer vor dem anderen?“

Nein, zu viel Kraft – gar auf Vorrat – bekommen wir einfach nicht! Vielleicht würde es mir auch nicht guttun: Könnte ich sie denn wirklich klug einsetzen? Oder sie ständig als Vorrat horten, für den unwahrscheinlichen Fall, wenn …

Dann wieder lässt sich Gottes Atem direkt auf unserem Lebensweg spüren: Wenn sich Kleinigkeiten zu einer Fügung verflechten. Wenn uns plötzlich etwas leicht von der Hand ging, was uns immer Schwierigkeiten bereitete. Wenn wir auf einmal mit einem leichten Lächeln die Antwort auf Vorwürfe wissen, die sonst bitter schmeckten. Manchmal genügt bereits eine kleine Änderung des Blickwinkels, um neuen Mut zu fassen.

Doch sind wir in der Lage, wirklich neue Akkorde im Lied unseres Lebens zu greifen? Ist es dazu nicht nötig, ein wenig gütiger auf den bisherigen Lebensweg zu schauen? Und ist es dann möglich, einen solchen Perspektivenwechsel wirkungsvoll im eigenen Leben Raum gewinnen zu lassen? 

Das ist wohl nur Neugeborenen vergönnt. Oder uns, die wir schon länger unterwegs sind, erst nach der Wüstenwanderung. Sie geht ein Leben lang – bevor wir den Widerschein des verheißenen Landes entdecken können.