„Wir machen alles, was möglich ist!“

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In Charkiw nach den Luftangriffen. Fotos: Nikita Zhadan
In Charkiw nach den Luftangriffen. Fotos: Nikita Zhadan

Aus den Partnergemeinden in der Ukraine und in den Nachbarländern, die Hilfe leisten

Immer noch finden Gottesdienste statt. Soweit es irgendwie möglich und nicht zu gefährlich ist, kommen Menschen unter Gottes Wort zusammen. Das berichtete Bischof Pavlo Shvartz von der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU), der mit dem Gustav-Adolf-Werk (GAW) in Kontakt bleibt. Er schränkte aber auch ein: „Dort, wo Kirchen als Notunterkunftszentren gebraucht werden, verzichten wir auf die gewohnten Gottesdienste.“ Dann fänden vor allem online Treffen statt. 

Er selbst hätte leider seit Kriegsbeginn bis auf ein kurzes Gebet keinen Gottesdienst mehr halten können. Denn seine Hauptaufgabe bestehe nun darin, Hilfsgüter für seine Heimatstadt Chirkow zu organisieren. Die meisten Gemeindemitglieder seien geflohen. Geblieben sind aber noch ältere Mitglieder. Die Kirche gibt Lebensmittel an sie aus, so der Stand am 12. März. 

Die DELKU hat rund tausend Mitglieder in 15 Gemeinden, die im ganzen Land verteilt sind. Auch der Präsident der Synode und Pfarrer in Odessa, Alexander Gross, hält, soweit möglich, Kontakte zu weiteren Gemeinden, etwa zu Berdiansk, einer Großstadt unweit von Mariupol. „Dort sind russische Truppen stark präsent und kontrollieren die Stadt. Ukrainische Bürger demonstrieren jeden Tag gegen die Besatzung“, berichtet er. Von seinen Kontakten zu den Gemeindemitgliedern hat er gehört, dass es bei den Minusgraden dort keine Heizung mehr gibt, aber noch kaltes Wasser und Strom. 

Kontakte verloren

„Die russische Armee hat die Stadt so rasch eingenommen, dass unse-
re Gemeindemitglieder keinerlei Möglichkeit hatten, zu fliehen. Eine Woche vor Kriegsbeginn hatten wir Gott sei Dank noch Geld in diese Gemeinde geschickt. Davon haben sie Lebensmittel gekauft, die sie jetzt verteilen können. Sogar jetzt finden noch Gottesdienste statt“, das konnte er am 12. März berichten.

Er ist auch im Kontakt zu Gemeindemitgliedern in Smejewka, einem Dorf in der Nähe von Cherson. Das Gebiet ist offiziell russisch besetzt, aber es scheinen auch noch gute zwei Wochen nach Kriegsbeginn keine russischen Soldaten im Dorf aufgetaucht zu sein. 

Ähnlich sei es in Schostka, einer Kleinstadt im Nordosten, nahe der russischen Grenze. In beiden Fällen gäbe es „leider keine Möglichkeit, Lebensmittel ins Dorf zu bringen. Zum Glück haben die meisten Einwohner dort ein bisschen Landwirtschaft und versorgen sich aus ihren Vorräten“, ergänzt er. Zu anderen Gemeinden, die bereits besetzt sind, haben sie den Kontakt verloren.

In Kiew hat die DELKU zwei Gemeinden: Die St.-Katharina-Gemeinde liegt im Zentrum der Stadt. Hier können keine Gottesdienste mehr stattfinden, auch weil die Kirche im weitgehend gesperrten Regierungsviertel liegt. Der dort tätige deutsche Pfarrer Matthias Lasi wurde schon (wie berichtet) vor Kriegsbeginn von der Evangelischen Kirche in Deutschland abgerufen.

Die Martins-Gemeinde in Kiew ist mit einem diakonischen Schwerpunkt neu gegründet. Ihr Pfarrer Igor Schemigon ist weiter vor Ort und kümmert sich um die Gemeindemitglieder. Einen Ableger der Gemeinde gibt es im Dorf Andrejewka, das bereits schnell russisch besetzt war. „Seitdem haben wir nichts mehr von dort gehört. Es gibt keinen Strom und keine Telefonverbindung“, so Alexander Gross. Die Gemeinde betreibe ein Wohnheim für obdachlose Menschen aus Kiew. „Das letzte, was wir gehört hatten, war, dass russische Soldaten in das Wohnheim eingedrungen sind und nach Militärangehörigen gesucht haben. Wir machen uns Sorgen.“

Weitere Gemeinden im Zentrum der Ukraine seien „zu Durchgangsstationen für Flüchtende aus den umkämpften Gebieten geworden. Die Gemeinden versorgen sie mit Unterkunft und Essen.“

Flüchtlingshilfe im Krieg

Larissa Kostenko ist seit vielen Jahren Prädikantin in einer dieser kleinen lutherischen Gemeinde, in Winnyzja: In der Stadt seien 20.000 Flüchtlinge angekommen. Zum Teil bleiben sie, zum Teil reisen sie weiter, berichtet sie. Deshalb hat sie gleich nach Kriegsbeginn mit Gemeindemitgliedern eine Lebensmittelausgabe und Suppenküche organisiert. Sonntags gäbe es warmes Essen. Sie kümmern sich auch um Unterkünfte für Geflüchtete. Unter Sirenengeheul haben sie mit zwölf Teilnehmenden einen Gottesdienst zum Weltgebetstag der Frauen gefeiert, da der nahe Flughafen angegriffen wurde. „Alle sind heil nach Hause gekommen. Preiset Gott.“

In seinem eigenen Pfarrbezirk Odessa sei die Lage noch bei Redaktionsschluss zweieinhalb Wochen nach Kriegsbeginn weitgehend ruhig. Aus der Stadt selbst „sind rund die Hälfte nach Deutschland oder Rumänien geflohen. In den beiden Dorfgemeinden sind aber fast alle dageblieben. Wir feiern weiter Gottesdienste. Doch sind alle Mitarbeiterinnen der Kinder- und Jugendarbeit geflohen. In Odessa geht die Suppenküche weiter – wir machen alles, was möglich ist! Ich selbst schicke immer wieder Geld an Familien in Not, Gemeinden und diakonische Initiativen der Kirche.“

Neben den Kontakten zur DELKU ist das Gustav-Adolf-Werk auch intensiv in der Flüchtlingsarbeit engagiert. Generalsekretär Pfarrer Enno Haaks war dazu Anfang März in Tschechien. Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) ist nur ein Beispiel der engagierten Partnerkirchen. In Vrchlabí (Hohen-elbe) hat der dortige Pfarrer Michael Pfann im Freizeitheim Horský Domov eine Unterkunft aufgebaut. Er berichtet von einer Familie aus Kiew. „Sie saß am Sonntag bei uns im Gottesdienst. Als ich in der Predigt über die Ukraine sprach, da fing die Frau an zu weinen.“ Für einen Monat kann die Gemeinde sie und andere dort unterbringen. In den insgesamt 130 kleinen Kirchengemeinden der Böhmischen Brüder stehen rund 800 Betten den ukrainischen Flüchtlingen zur Verfügung.

Das GAW hat inzwischen zusammen mit dem Martin-Luther-Bund  weitere 20.000 Euro für einen Transporter bereitgestellt, den die Evangelische Kirche A. B. in Rumänien besorgen will. Er soll mit Hilfsgütern nach Odessa fahren und vor Ort für weitere Hilfseinsätze dienen. DELKU-Bischof Pavlo Shvartz ist beeindruckt von der engagierten länderübergreifenden und auch ökumenischen Zusammenarbeit vor Ort: Er hofft auf eine Zeit der Heilung – nach dem Krieg.

Spenden für das GAW, Stichwort „Nothilfe“: Sparkasse Neuendettelsau, IBAN: DE17 7655 0000 0760 7022 17, BIC: BYLADEM1ANS oder VR-Bank Mittelfranken West, IBAN: DE65 7656 0060 0000 0245 54, BIC: GENODEF1ANS.

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