Bewegende Hilfeleistungen

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Hilfe für ukrainische Flüchtlinge
Bürger bieten Unterkünfte für die Flüchtlinge aus der Ukraine am Berliner Hauptbahnhof an. Foto: epd/F

Immer mehr Geflüchtete aus der Ukraine erreichen etwa München oder Nürnberg 

Sie stiegen einfach in den Bus. Eigentlich wollte sich eine Familie in Odessa nur über die Explosionen informieren, die sie in der Nähe gehört hatten. Das war direkt am ersten Kriegstag. Stattdessen trafen sie auf einen Transport, der Moldawier in ihre Heimat westlich der Ukraine brachte. Sie konnten noch mitfahren. Ein Wink des Schicksals? Ohne Gepäck mussten sie sich sofort entscheiden – und strandeten zwei Tage später in der bulgarischen Hauptstadt Bukarest. 

Die Tochter dieser Familie aus Odessa lebt schon seit mehreren Jahren in München. Dorthin wollten sie. Doch hatten sie nur ukrainisches Geld, das natürlich niemand mehr in Bulgarien eintauschen wollte. Erst musste die Tochter Geld überweisen, bevor es weiterging. Nach einer Woche, am Freitag, 4. März, waren ihre Mutter, Tante und Schwester endlich wohlbehalten bei ihr. Der Vater und die Oma seien noch in Odessa. Im Münchner Ankunftszentrum registrierten sie sich. 

Gerade hatten sie sich entschieden, doch weiter in der kleinen Wohnung der Tochter zu bleiben. Denn alle 650 Plätze im Zentrum waren schnell belegt. Es schliefen bereits Menschen auf dem Boden, so die Familie aus Odessa. Andere Ukrainer dort bestätigten dies. 

Währenddessen strömten am neunten Kriegstag immer weitere Geflüchtete ins Ankunftszentrum. Dort müssen sie sich zunächst registrieren. Oft, aber nicht immer begleitet von Angehörigen oder zumindest Bekannten, die schon länger in Bayern leben. Viele Ukrainer erreichen München nach einer Fluchtroute über Rumänien, die Slowakei und Ungarn.  

„Meine Mutter und kleine Schwester kamen über Warschau und Berlin nach München“, berichtet ein Student. Er stammt aus der Region Kiew. Seine Familie war dreieinhalb Tage über die „Nordroute“, also durch Polen unterwegs und hatte am 4. März nach dreieinhalb Tagen Flucht die Isarstadt erreicht. 

Viele der ersten Geflüchteten waren gezielt zu Angehörigen und Bekannten in München gekommen. Denn rund 8.000 Ukrainer lebten bereits in der bayerischen Landeshauptstadt. Der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck mit seinen 1.200 Plätzen war da bereits als neues zentrales Ankunftszentrum im Gespräch. Die bisherigen Flüchtlinge dort würden verlegt. Leichtbauhallen als Notunterkünfte waren in Planung. Auch in Hotels und weiteren Asylunterkünften sollen Plätze gefunden werden. Es schien fast Erleichterung zu herrschen über Ukrainer, die privat bei Freunden oder Verwandten unterkommen können. 

Am Münchner Hauptbahnhof gab es erste Informationen durch die Caritas, die mit großen gelb-blauen Flaggen die Blicke auf sich lenkt. Dolmetscher waren vor Ort. Bei der eigenen An- und Abreise dort war es relativ ruhig. 

Auch vor dem Ankunftszentrum warteten freiwillige Übersetzer auf diejenigen Flüchtenden, die selbst keine Kontakte nach Deutschland hatten. „Ich will doch was tun“, so eine Ukrainerin, die seit Jahren in München lebt. Ihre eigene Familie harre trotz allem in ihrer Heimat an der Schwarzmeerküste östlich von Odessa aus. Ihr Vater ist 53 und darf die Ukraine nicht verlassen. „Meine Oma ist 85 und kann sich kaum bewegen. Und meine Mutter will bei beiden bleiben.“

Auch am Nürnberger Hans-Sachs- Platz kam den freiwilligen Dolmetschern eine tragende Rolle zu. Sie lotsten die Geflüchteten in kleinen Gruppen zu mehreren Stationen im Großen Saal des Heilig-Geist-Hauses dort. 

Hilfe im Heilig-Geist-Haus

Peter Brandhammer vom Technischen Hilfswerk organisierte dort dezentral an mehreren Tischen die Hilfe. Es gab Gutscheine, die ein Supermarkt zur Verfügung gestellt hatte, oder Berechtigungsscheine für die Tafel sowie Sozialkaufhäuser. Mitarbeitende der Kommune informierten über die Sozialleistungen oder Wohnmöglichkeiten. 

Oberbürgermeister Marcus König machte sich am Freitagvormittag selbst ein Bild. Gerade war die Berthold-Brecht-Schule mit 400 Betten als Notunterkunft freigegeben worden, da die zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf bereits gut gefüllt sei.

Flyer wiesen auf diese Zentrale am Hans-Sachs-Platz hin. Die Polizei am Nürnberger Hauptbahnhof sei entsprechend informiert. Das Amt für Migration habe für ukrainische Bürger bereits online Hinweise eingerichtet. Die Übersetzer informierten ihre Schützlinge auch über kostenlose Corona-Tests und Impfmöglichkeiten in der Nähe. 

Das Nürnberger Dekanat, die Stadtmission und Sabine Arnold
von der Aussiedlerhilfe organisieren Wohnmöglichkeiten für Geflüchtete in privaten Quartieren. Auch hier waren die ersten Menschen aus der Ukraine bei Verwandten oder Freunden untergekommen Schließlich leben rund 4.200 Ukrainer schon länger in Nürnberg. 

Ähnlich engagiert ist die „Diakonie München und Oberbayern“, die ebenfalls Informationen mit lokalen ukrainischen Initiativen, einem Kulturzentrum oder der ukrainischen katholisch-griechischen Kirche bündelt. Rund 240 hauptamtliche und 800 ehrenamtliche Mitarbeitende engagieren sich allein in dem Bereich Flucht und Migration. 

Für die Geflüchteten aus der Ukraine gilt mindestens ein Jahr EU-weit die „Richtlinie über vorübergehenden Schutz“. Sie dürfen arbeiten und ihren Wohnort frei aussuchen. Und immer wieder gibt es hilfsbereite Menschen, die Zimmer und Wohnungen anbieten. 

Etwa Kevin, der am Münchner Ankunftszentrum vorbeikam. Der 30-Jährige arbeitet bei einem nahegelegenen Discounter. In der Pause hat der 30-Jährige mehrere Kartons Capri-Sonne besorgt und gab sie ab: „Für die Kinder.“

Ins Nürnberger Heilig-Geist-Haus nun hatten Unbekannte Kartons mit Windeln oder Babynahrung gebracht. Offenbar hatten sie gehört, dass es gerade den Babys auf der Flucht nicht gut ging. Bei den tagelangen Irrfahrten gingen immer wieder Windeln und Milch für die Kleinsten aus. Schließlich konnten sich viele Familien vor der Flucht nicht ausreichend damit eindecken. Nicht nur sie können nun ein wenig zu Atem kommen. Doch werden wohl noch unendlich viele nachkommen.

Erste Informationen sowie wichtige Anlaufstellen finden Hilfesuchende und freiwillige Helfende https://diakonie-muc-obb.de/ukraineinfo. Erreichbar ist das Hilfetelefon unter der Nummer 089/54497199 (werktags von 8 bis 20 Uhr, am Wochenende von 10 bis 14 Uhr).  Die Nürnberger Service-Hotline für Flüchtlinge unter der Rufnummer 0911/231-33366 ist täglich von 10 bis 18 Uhr erreichbar.

Redaktionsschluss am 7. März.