Wann lag nun Jesus in der Krippe?

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Äthiopische Christin bei einem Gottesdienst. Griechisch-orthodoxer Priester feiert die Weihnachtsmesse.Fotos: pa
Äthiopische Christin bei einem Gottesdienst. Griechisch-orthodoxer Priester feiert die Weihnachtsmesse.Fotos: pa

Wie es zur unterschiedlichen Weihnachts-Datierung bei Orthodoxen und Orientalen kam

Strenges Fasten – während sich im Supermarkt die Regale mit dem Adventsgebäck schier biegen und der Bratenduft zu Weihnachten aus allen Fenstern quillt? Das ist für die Mitglieder der äthiopisch-orthodoxen Kirche schon gewohnter Alltag. Während ihre Nachbarn den Weihnachtsbraten und Christstollen verspeisen, geht es karg weiter. Denn das Christfest feiern die Gemeinden am 7. Januar, erklärt der äthiopische Priester Dawit Kefyalev. Die Frage nach dem Grund führt hinein in die Vielfalt kalendarischer Traditionen.

„Für die Kinder“ entzünden viele Familien zwar schon zum 24. Dezember den Christbaum und lassen Geschenke auspacken, erklärt der Priester. Schließlich sind sie nur eine kleine Minderheit mit drei Gemeinden in Bayern und zusammen etwa 3.500 Gemeindemitgliedern. Aber die Mahlzeiten für die Gläubigen sind immer noch seit dem 15. November rein vegan. 

Nicht so lange müssen griechisch-orthodoxe Christen auf das Festessen warten: Sie feiern Weihnachten im Unterschied etwa zur russisch-orthodoxen Kirche am 25. Dezember, so Georgios Vlantis. Denn sie folgen anders als in Russland für das Christfest dem Gregorianischen Kalender (siehe Kasten).

Ebenfalls seit Mitte November bis einschließlich 24. Dezember bereiten sich Gläubige der griechisch-orthodoxen Kirche mit Fasten auf die Geburt Jesu vor. Während des Großteils dieser Zeit sind Fischgerichte erlaubt. Die letzte Woche vor Weihnachten ist dann ganz streng vegan. 

Übrigens war der Advent „früher“ auch mal in Westeuropa Fastenzeit. Sie begann nach dem 11. November – daher die Martinstradition, noch schnell eine Gans zu essen. Es erklärt auch, warum manche Faschingsfreunde am 11. November schon mal „vorfeiern“.

Traditioneller Kalender

Einem gänzlich anderen Kalender folgt die äthiopisch-orthodoxe Kirche – auch wenn sie ebenfalls Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und weiterer ökumenischen Organisationen ist. Da erklärt Priester Dawit Kefyalev: Jeder Monat im traditionellen äthiopischen Kalender hat 30 Tage. Dazu braucht es einen 13. Monat zwischen August und September, der dann fünf oder alle vier Jahre auch sechs Tage hat. Bei einem solchen Schaltjahr fällt das Weihnachtsfest auf den 6. anstatt den 7. Januar – aber nicht in diesem Festzyklus.

Die Gemeinschaft zählt sich zu den selbstständigen orientalisch-orthodoxen Kirchen – wie auch die Armenische Kirche oder die Kop-ten, die sich seit Mitte des fünften Jahrhunderts in Abgrenzung zu Ostrom weiterentwickelten.

Die äthiopische Kirche feiert stolz ihr Gründungsdatum 328. Damals soll der Kirchenvater Athanasius von Alexandrien den „Vater“ Frumentius zum Bischof von Äthiopien ernannt haben. Diese Datierung steht in Einklang mit archäologischen Funden: König Ezana von Aksum dankt ab etwa dieser Zeit in Inschriften nicht länger Naturgöttern für seine Siege, sondern dem einen allmächtigen Gott. Seine Münzen zeigen Kreuze. 

Weitere Traditionen gehen direkt auf den äthiopischen Kämmerer zurück, den der Apostel Philippus taufte (Apg 8). Oder gleich bis zum König Salomo: Neben dem Kreuz steht in äthiopischen Kirchen meist eine Nachbildung der Bundeslade, der Tabot. Das äthiopische Königshaus führte seine Abstammung auf eine Verbindung der Königin von Saba mit Salomo zurück. Durch die Ausbreitung des Islam ringsherum entwickelte sich später diese Glaubensgemeinschaft eigenständig weiter. Bis zur Revolution 1974 war sie die Staatskirche.

Orientalische Kirchen halten ihre Weihnachts-Datierung für ursprünglicher: Sie halten die Vordatierung des Weihnachtsfestes bei den abendländischen Kirchen im 4. oder 5. Jahrhundert für eher heidnisch. Geschah es nicht, um die Nähe zur Wintersonnenwende oder dem „Sol Invictus“ herzustellen? Gut, dass heute mehr Geschwisterlichkeit und Neugier auf andere Traditionen herrscht.

 

Vom Julianischen und Gregorianischen Kalender: Nicht nur Weihnachten schwierig

Im 16. Jahrhundert fiel auf, dass der alte Julianische Kalender (von Julius Caesar schon vor der Zeitenwende im Römischen Reich reformiert) bereits gut zehn Tage im Vergleich zum tatsächlichen Sonnenstand „nachging“. Die Tag-und-Nacht-Gleiche im Frühling war in der Realität nicht mehr am 21. März, sondern zehn Tage davor – und so weiter. 

Der Fehler bestand darin, dass jedes vierte Jahr ein Schalttag am 29. Februar eingeklinkt wird: Das war auf lange Sicht zu viel. Nun gibt es für das Jahr 1700, 1800 und 1900 und wieder ab 2100 kein Schaltjahr, wohl aber an den durch die Zahl 400 teilbaren Jahrhunderten wie 1600, 2000 und 2400. Papst Gregor XIII. ließ außerdem auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582, direkt Freitag, den 15. Oktober, folgen. So ließ sich am 21. März 1583 wieder die reale Tag-und-Nacht-Gleiche erreichen wie 325 – beim Konzil von Nicäa. (Für Puristen: Das ging zwar im Vergleich zu Julianischen Zeiten bereits einen Tag nach – aber gut.)

Da 1582 schon Kirchenspaltung herrschte, galt die Reform zunächst nur in katholischen Gebieten. Erst 1700 zogen Preußen und die meisten protestantischen Territorien Norddeutschlands mit – die letzten aber erst 1812. Schweden, Dänen und Engländer waren Mitte des 18. Jahrhunderts dabei.

In Russland stand die Kalenderreform erst nach der Oktoberrevolution (die übrigens nach gregorianischem Kalender im November stattfand) von 1917 an – aber nur für das säkulare Leben, nicht für den kirchlichen russisch-orthodoxen Kalender (wie auch bei weiteren slawischen orthodoxen Kirchen). An diesem kleinen russischen Beispiel zeigt sich schon, dass die ganze Kalenderreform auch genug Stoff für historisches Chaos bietet. In den heutigen Geschichtsbüchern sind die Daten in der Regel ab 1582 nach Gregorianischer Zählung angeglichen. 

In Griechenland fand die Reform 1923 für das kirchliche und weltliche Leben statt. Nun mussten zwölf Tage ausfallen. Um das Verstehen jetzt nicht zu einfach zu machen, berechnen sich die beweglichen Feste wie Ostern auch in Griechenland noch nach dem alten Julianischen Kalender. Daher fällt dieses höchste Fest der orthodoxen Griechen selten mit dem Ostertermin der abendländischen Kirchen zusammen. Alles klar?

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