Heiliger Martin auch als Vorbild für Protestanten

822
Martin Bei-Baier Editorial Hintergrundbild Kraus

Editorial von Chefredakteur Martin Bek-Baier im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Das Editorial zum Hören:

 

Und zum Nachlesen:

Da stehe ich nun in der Kathedrale von Tours vor den sterblichen Überresten meines Namenspatrons, dem Heiligen Martin. Eine in Gold gefasste Schädelkalotte in einer mit Kerzen mystisch anmutenden Krypta, unter der gewaltigen Kathedrale. Was soll ich sagen? Ich bin angerührt! Niemand ist darüber mehr verwundert als ich. Bin ich doch evangelisch erzogen und sozialisiert. Heilige sind wir Getauften und Glieder der Gemeinde Gottes laut der Schrift alle.

Was viele in unserer Lutherischen Kirche nicht wissen: Das Augsburgische Bekenntnis erlaubt das ehrenvolle Andenken an das Wirken außergewöhnlicher Menschen. Im 21. Artikel der Confessio Augustana heißt es, dass der Glaube gestärkt wird, wenn die Kirche sieht, wie Gott den Heiligen Gnade erwiesen hat. An den guten Werken der Heiligen soll sich die heutige Kirche ein Beispiel nehmen. Eine Anrufung der Heiligen wird allerdings abgelehnt, „Denn es ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, nämlich der Mensch Christus Jesus.“ (1. Timotheus 2,5). 

Ein außergewöhnlicher Mensch und ein guter dazu war Martin von Tours laut der Legenden ganz sicher. Nicht nur, dass er seinen Mantel mit dem armen Mann teilte und somit als Urbild für Barmherzigkeit steht. Nein, er war wohl auch ein strammer Christ und ein umsichtiger Bischof: Ein Vorbild für seine Christengemeinde in einer unruhigen Welt .

Meinen Namen habe ich laut Aussage meiner Mutter natürlich nach Martin Luther bekommen. Dieser aber bekam seinen Namen weil er am Gedenktag des Heiligen Martins getauft wurde. Luther  fand die Heiligenverehrung und Wallfahrten zu Orten an denen Heilige verehrt werden – wie Tours – für unnütz und auch grundfalsch.

Dennoch erkannte er das Wirken von so manchem Heiligen oder so mancher Heiliger als vorbildgebend an. So hat er einen Becher, der der Heiligen Elisabeth von Thüringen gehört haben soll, in Ehren gehalten. Elisabeth hat sich aufopfernd und ohne Rücksicht auf ihren Stand um Bedürftige gekümmert. Da gibt es Parallelen zu Luthers Namenspatron – und auch meinem.

Natürlich braucht man keine Kathedrale um Vorbildern im Glauben zu gedenken. Doch mir hat es geholfen mich an meine Namenspatronen zu erinnern und für was sie stehen: Martin von Tours für Barmherzigkeit. Martin Luther für Standhaftigkeit in Glaubensdingen – da, wo sie nötig ist.