Welche Werte zählen

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Szenenfotos aus „Die Wächterin“ und „Non Western“. Fotos: NIHRFF
Szenenfotos aus „Die Wächterin“ und „Non Western“. Fotos: NIHRFF

Nürnberger Filmfestival auch online sehenswert

Sie ernährt sich offenbar hauptsächlich von selbstgedrehten Zigaretten und Kaffee. In Gummistiefeln und weiten Hosen marschiert sie resolut über den Klosterhof: Seit 18 Jahren lebt die syrisch-orthodoxe Nonne Dayrayto in einem halb verfallenen Kloster oberhalb eines verlassenen aramäischen Dorfes im Südosten der Türkei. Seit vier Jahren hält sie dort allein die Stellung.

Martina Priessner begleitet in ihrem Dokumentarfilm die Nonne über viele Wochen hinweg. Dafür bekam sie 2020 den Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts. Nun lief es beim 12. „Internationalen Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte“ (NIHRFF). Es legte seinen Schwerpunkt auf „Solidarität und Widerstand“. Das Publikum konnte neben den 41 Filmen vor Ort erstmals zwei Dutzend Filme im Online-Stream sichten – etwa die Nonne als „Wächterin“ ihres Vorpostens. 

Verbittert, doch resolut blickt sie ins Tal. Wird ihr Hund langsam vergiftet? Der Tierarzt spricht von einem schwachen Herzen. 

Die Kamera fängt keine realen Bedrohungen ein, doch die Nonne fühlt sich mehr und mehr ausgeliefert. Sicher ist ihre Anwesenheit in der Region vielen ein Dorn im Auge. Anfeindungen von muslimischer Seite gab es wohl schon immer. Sind sie schlimmer geworden, seitdem das Dorf wie ausgestorben wirkt? Sehr ambivalent wirkt dieser Film, der zudem mit seiner langsamen Handlung Sehgewohnheiten widerspricht. Das hat er mit weiteren Filmen gemeinsam:

Wie kann sie nur? Naci will mit Thaddeus im Film „Non Western“ ein neues Leben im Mittleren Westen der USA beginnen. Sie ist weiß und hat trotz ihrer Herkunft aus einfachsten Verhältnissen studiert. Er ist Cheyenne, dabei aber alles andere als schneidig. Im Gegenteil: Aufgedunsen, wohl tablettenabhängig, stemmt er sich nur selten vom Sofa hoch, wenn Hausarbeit ansteht, belehrt sie dafür über indianische Traditionen. Scheinbar unaufhaltsam scheint es auf eine Katastrophe hinzusteuern. Doch es kommt anders.

Was bedeutet kulturelle Identität und das Festhalten an lange verdrängten Traditionen im Vergleich zu gegenseitigem Respekt und Vertrauen? Wie finden sich Kompromisse und ein neuer Sinn? Das wird mit neuen Akzenten diskutiert.

So auch im Schulfilmprogramm für ganz Mittelfranken. Es bot sechs Filme mit aktuellen Themen für Jugendliche: Von Migration und Zerrissenheit zwischen den Kulturen erzählte etwa der Film „Wölfe“: Zwei kleine Brüder stehen da im Mittelpunkt, die mit ihrer Mutter aus Mexiko in die USA gelangt sind. Die Mutter jagt mehreren Jobs nach, verlangt von beiden Jungen das neue Zuhause zu schützen und alleine tapfer zu sein. Teils reden sie nur noch über Tonbandaufnahmen miteinander. Denn sie kommt erst nach Hause, wenn ihre Kinder schlafen. 

Bedrückend erscheinen viele dieser Filme mit ihrer langsamen Kameraführung und fast alltäglichen Geschichten. Dabei brechen sie gewohnte Klischees auf und fragen nach neuer Orientierung und Fairness. Eine Veranstaltung am Schluss der Woche fragte nach „Globaler Impfgerechtigkeit“.

=> Mehr unter: https://www.nihrff.de oder https://www.youtube.com/nihrff