Unter Hingabe Ordnung schaffen

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Editorial Inge Wollschläger im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern

Editorial im Evangelischen Sonntagsblatt von Inge Wollschläger

Manche „Freundschaftsdienste“ tragen erstaunliche Früchte. Aus „ein bisschen“ Fensterputzen und Saubermachen der Wohnung eines Freundes wurde ein Putzerlebnis der besonderen Art. 

Das Säubern von Wohnräumen, das Aufräumen und Sortieren ist vielen von uns sicherlich vertraut. Weniger vertraut hingegen ist es, es nicht für uns selbst zu tun. Doch ein Freund fragte, ob wir ihm nicht helfen könnten. Die Arbeit in Haus und Hof wuchs ihm nach einem schweren Krankheitsfall über den Kopf. Er kam einfach nicht mehr hinterher: Staubflusen und Wollmäuse vermehrten sich in fröhlichen Urständen und die Fenster trübten ein. 

Und so rücken meine Freundin und ich an, um ihm das Leben ein wenig zu erleichtern. Wir begannen Vorhänge zu waschen, Staubflusen aus den Ecken zu kehren und stumpfen Möbeln mit Politur „neues Leben“ einzuhauchen. Es war ein Akt der Hingabe, als wir die Wohnung aus einem Dornröschenschlaf weckten. 

Unter Hingabe – so kann man im Lexikon lesen – versteht man den von rückhaltloser innerer Beteiligung geprägten Einsatz eines Menschen für eine Angelegenheit oder eine Person. Wir verloren uns beim „Feudeln“ für den guten Zweck. Wir fühlen uns ganz im „Hier und Jetzt“. So  oft suchen wir nach diesem
Moment, des „im Augenblick Lebens“. Manche zahlen viel Geld, um ein solches Erlebnis zu haben. Yoga, Medita-tionskurse oder autogenes Training sollen helfen. Ebenso wir teure Ratgeber oder Vorträge mit klugen Tipps und Tricks gegen die oftmals herrschende innere Leere. 

Wir hingegen brauchten alle diese Ratgeber und Anweisungen an diesem Tag nicht. Es braucht nicht viel, um im „Hier und Jetzt“ anzukommen: Hinschauen, der Wille und ein Projekt, in dem man sich verlieren kann. Manchmal reicht – wie in unserem Fall – ein Putzlappen und ein Freund, den man sehr mag. 

Wir gaben den Dingen die Liebe und Aufmerksamkeit – neben Wasser, Staubtuch und Putzmittel – die sie „verdienen“. Nach und nach verhalfen wir „verschlafenen Schönheiten“ zu ihrem alten Glanz.

Abends sanken wir ermattet auf das Sofa und blickten uns zufrieden um. Alles war wunderbar, sauber und gut. Wir waren glücklich.